Dein Vorsprung von Anfang an.

Innovation, Gründergeist und Know How bilden die Grundlage für unser erfolgreiches Startup Ökosystem in Deutschland. Diese lebendige und eng verknüpfte Startup-Kultur lockt nicht nur Investoren sondern auch etablierte Unternehmen, sowie die Wirtschaft an.

EY Startup hat es sich zur Aufgabe gemacht, die verschiedenen Parteien innerhalb des Ökosystems für einen idealen Austausch zusammenzubringen und zu vernetzen. Dabei unterstützen wir euer Startup in allen relevanten strategischen, steuerlichen, betriebswirtschaftlichen, rechtlichen und finanziellen Fragen. Auf dieser Seite findet Ihr Know-how, Events, Aktivitäten und EY Ansprechpartner in eurer Region.

Aktuelles

EY Startup-Barometer Deutschland – Januar 2024

Deutsche Startups sammeln 2023 nur 6 Milliarden Euro ein, ein Rückgang von 39 Prozent gegenüber 2022 und 65 Prozent im Vergleich zu 2021. Die Finanzierungsrunden sinken um 15 Prozent. Trotzdem vervierfachen sich Investitionen in KI-Startups.

Weitere Informationen findest Du hier

EY Startup

Early stage

Euer Unternehmensplan gewinnt an Dynamik? Wir unterstützen euch beim Reporting, bei der Identifikation von Fördermitteln für eure Aktivitäten im Bereich Nachhaltigkeit und F&E, der Kontaktaufnahme mit Investoren und vielen anderen Themen. Dabei geht es um wichtige Weichenstellungen zur Finanzierung (privat und öffentlich), Beteiligung, Planung und Bewertung des Unternehmens.

Formate:

Scaleup

Die Umsätze steigen und euer Unternehmen wächst. Wir sind an eurer Seite, wenn es darum geht, die innovative Weiterentwicklung eurer Produkte und Services über öffentlich Fördergelder zu finanzieren, Venture Capital zu beschaffen und das Wachstum auf gesunde Beine zu stellen. Unsere Fachleute stehen euch mit Rat und Tat zur Seite, damit euer Wachstum in nachhaltigen Geschäftserfolg mündet.

Formate:

  • CEO Roundtable
  • Investoren Dinner
  • Funding Matinée (Auswahlprozess)

Grownup

Euer Grownup wächst und etabliert sich als Marke. Ihr könnt die ersten Markterfolge verbuchen. Wir binden euch in Innovationsökosysteme ein und geben euch Hilfestellung bei weiteren Finanzierungsrunden, bis hin zum partiellen Exit oder IPO. Auf dem Weg zu neuen Zielen müsst Ihr die richtigen Antworten auf größere Herausforderungen finden.

Formate:

  • IPO Readiness Assessment
  • Förderberatung

Investoren

Du suchst nach innovativen Lösungen, smarte Investments und einem tollen Startup Team? Wir veranstalten Networking und Matchmaking Events, unterstützen bei Investment Monitoring & Value Creation und führen für dich Target Screenings durch.

Corporates

Die Verbindung zu etablierten Unternehmen liegt uns besonders am Herzen. Wir bringen Startups mit dem deutschen Mittelstand zusammen und sprechen über Kooperationen, Integration sowie Trendanalysen (EY Startup Barometer). Findet mit unserer Hilfe den perfekten Partner für eure innovativen Kooperationen.

Andere Institutionen

Wir unterstützen auch regional und direkt vor Ort. Wir helfen unter anderem bei der Identifizierung passender Förderprogramme und der Bewerbung auf Ausschreibungen sowie bei regionalen Aktivitäten.

Events und Workshops

Neuigkeiten und Veröffentlichungen

25.01.2024
Deutsche Startups sammeln 2023 nur 6 Milliarden Euro ein, ein Rückgang von 39 Prozent gegenüber 2022 und 65 Prozent im Vergleich zu 2021.
04.08.2023
Deutlicher Dämpfer für die deutsche Startup-Szene: Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2022 halbierte sich das Gesamtvolumen der Investitionen in den ersten sechs Monaten dieses…
12.01.2023
Trotz Marktunsicherheiten und 43 Prozent weniger Risikokapital-Investments im Jahr 2022 verzeichnete die deutsche Startup-Branche ihr zweitstärkstes Ganzjahresergebnis. Zudem…
08.09.2022
Die ersten Wege nach dem Tod eines geliebten Menschen führen zum Bestatter und zur Trauerfeier. Bislang oblag das „Geschäft mit dem Tod“ im Wesentlichen auch eben jenen: den…

Weitere Themen

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Recht

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Frederick-Maximilian Schnoor

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Telefon: +49 711 9881 27181
Frederick-Maximilian.Schnoor@de.ey.com

Dr. Ines Fritz

Dr. Ines Fritz

Recht

Telefon: +49 89 14331 22580
Ines.Fritz@de.ey.com

Varinia Prüfer

Varinia Prüfer

Business Development

Telefon: +49 30 25471 21522
Varinia.Pruefer@de.ey.com

Martin Neutzner

Martin Neutzner

Steuern & ESOP

Telefon: +49 711 9881 17291
Martin.Neutzner@de.ey.com

Richtig wachsen – Warum interne Prozesse für Scaleups unerlässlich sind

Die Gründung eines Unternehmens eröffnet viele Chancen, stellt junge Gründer*innen aber auch vor Herausforderungen. Gerade am Anfang fordern insbesondere Themen wie die Entwicklung des Kernproduktes, die Kundenakquise oder die Suche nach Wagniskapital den Input der oft noch schmalen personellen Ressourcen. Dies führt unter Umständen dazu, dass Unternehmensprozesse nicht richtig aufgesetzt werden. Mit dem Wachstum des Unternehmens erhöht sich aber auch die Komplexität, das Unternehmen effizient und effektiv zu steuern, sodass das Etablieren interner Prozesse, insbesondere für sogenannte Scaleups, an Bedeutung gewinnt.

In der Wachstums- und Expansionsphase benötigen Scaleups mehr Mitarbeiter*innen, um die täglichen operativen Aufgaben zu bewältigen aber auch, um weitere strategische Entscheidungen treffen zu können. Einige Tätigkeiten werden von den Gründer*innen delegiert, während das Team insgesamt immer internationaler agiert. Ende-zu-Ende Prozesse könnten in der Wachstums- und Expansionsphase dabei helfen, Strukturen aufzubauen. Notwendig werden sie spätestens dann, wenn Scaleups ihren Börsengang (entweder mittels klassischem IPO [1] oder durch einen SPAC [2]) planen und am Kapitalmarkt erfolgreich sein wollen. Hierbei sind sie insbesondere im Hinblick auf die Finanzberichterstattung unerlässlich, die klare und gut dokumentierte Prozessschritte erfordert.

Folgende sechs Ende-zu-Ende Prozesse ermöglichen eine angemessene Finanzberichterstattung:

  • Record-to-Report (R2R): R2R beinhaltet alle Themen rund um den Financial Statement Closing Prozess und um konkrete Bilanzierungsthemen.
  • Purchase-to-Pay (P2P): Der gesamte Einkaufsprozess wird im Rahmen von P2P beschrieben. Darunter fällt insbesondere die Auswahl geeigneter Lieferanten, das Vertragsmanagement, die Stammdatenpflege und schließlich die Begleichung der Rechnung, sowie die Inventur.
  • Hire-to Reitre (H2R): Dieser Prozess umfasst den gesamten Human Resources-Prozess von der Budgeterstellung, über das Recruiting und Onboarding bis hin zur Gehaltszahlung und letztlich dem Austritt eines Mitarbeiters.
  • Customer-to-Cash (C2C): C2C ist der Prozess, welcher den Verkauf von Waren und Dienstleistungen beschreibt. Bestellungen, die Lieferung von Waren und/oder das Erfüllen von Dienstleistungen, sowie die Bezahlung und der Mahnprozess sind die hier enthaltenen Subprozesse.
  • IT General Controls (ITGC): Das Transferieren von Daten zwischen zwei oder mehreren Systemen, die Regelungen von Zugriffsrechten oder die Identifikation von IT-Sicherheitslücken sind Bestandteile des ITGC-Prozesses.
  • Tax: Dieser Prozess bezieht sich auf alle steuerlichen Sachverhalte, wie z.B. Einkommensteuer oder Mehrwertsteuer.

 Die folgende Abbildung stellt diese Prozesse noch einmal vereinfacht dar:

Abbildung 1: Typische Standardprozesse in Unternehmen, die einen Börsengang anstreben [3].

Die in der Abbildung aufgeführten Prozesse sind so gegliedert, dass potenzielle finanzielle Risiken identifiziert und später minimiert werden können. Davon können Scaleups vor allem im Hinblick auf das Thema Corporate Gonvernance profitieren. Die Grundsätze von Corporate Governance zielen darauf ab, die Strategien und Ziele eines Unternehmens einerseits klar zu definieren und andererseits gut zu dokumentieren.

Häufig sind aber klar definierte Prozesse in jungen Unternehmen nur teilweise vorhanden. Dies hat zur Folge, dass Risiken nicht rechtzeitig erkannt werden und mitunter das Wachstum oder die Entwicklung eines Scaleups erschweren. Mit Hilfe interner Kontrollen für jeden der sechs oben genannten Ende-zu-Ende Prozesse können Risiken minimiert werden, die sich negativ auf das Financial Statement auswirken. [4]

Welche Kontrollen hierbei geeignet sind, variiert je nach Risiko und Prozess. Beispiele von potenziellen Risiken können wie folgt zusammengefasst werden: betrügerische Handlungen, finanzieller Verlust, falsche Darstellung der Finanzberichte/Bilanzen, Über- bzw. Unterbewertung von Finanzkennzahlen und Verstöße gegen Gesetze und Vorschriften. Im H2R-Prozess sollte z.B. ein Vier-Augen-Prinzip vorhanden sein, wenn das Budget für die Personalplanung erstellt wird. Eine regelmäßige Überprüfung der Zugangsdaten für bestimmte sensible Daten kann eine gängige Kontrolle im ITGC-Umfeld sein, um rechtwidrige Handlungen auszuschließen. Im R2R-Prozess ist eine Checkliste in der Finanzabteilung hinsichtlich des Monatsabschlusses hilfreich, um Fehler zu vermeiden und Risiken zu minimieren.

Um den Anforderungen an interne Prozessdokumentation gerecht zu werden, sollte für jeden der Ende-zu-Ende Prozesse eine verantwortliche Person definiert werden. Diese Person ist dafür zuständig, dass die Kontrolldokumentation vollständig und korrekt ist und die Kontrollen richtig durchgeführt werden. Für die Dokumentation eignen sich hierbei sowohl gängige Microsoft-Anwendungen als auch dedizierte Tools wie Visio oder ähnliche Anwendungen. Wichtig dabei zu beachten ist, dass die Dokumentation der Kontrolldurchführung gut archiviert wird, sodass bei Bedarf schnell darauf zurückgegriffen werden kann.

Insofern junge Unternehmen sogar mit dem Gedanken spielen, einen IPO oder ein SPAC durchführen zu wollen, können Prozesse mit Hinblick auf das Financial Reporting dieses Vorhaben unterstützen. Die Vorteile, die sich daraus ergeben, sind vielfältig. Hervorzuheben sind insbesondere die positiven Auswirkungen auf Investoren und am Kapitalmarkt.

 

 

Literatur- und Quellenverzeichnis

BaFin (2019) Wertpapierhandelsgesetz. https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/EN/Aufsichtsrecht/Gesetz/WpHG_en.html [letzter Aufruf am 03.02.2022].

Deutsche startups Investitionsphasen. https://www.deutsche-startups.de/lexikon/investitionsphasen/ [letzter Aufruf am 03.02.2022].

Digihub (2020) Start-up vs. Scale-up-Wo liegt eigentlich der Unterschied? https://digihub.de/blogs/start-up-vs-scale-up-wo-liegt-eigentlich-der-unterschied [letzter Aufruf am 22.02.2022].

Startupwissen Was Startups nicht vergessen sollten: Strukturen und Prozesse. https://startupwissen.biz/was-startups-nicht-vergessen-sollten-strukturen-prozesse/ [letzter Aufruf am 15.02.2022].

Startupwissen Was sind eigentlich Scaleup-Unternehmen? Was unterscheidet sie von Startups. https://startupwissen.biz/was-bedeutet-eigentlich-scaleup/ [letzter Aufruf am 10.02.2022].

 

[1] Initial Public Offering: Das erstmalige öffentliche Angebot von Wertpapieren an einer Wertpapierbörse in Form eines Börsengangs eines Unternehmens.

[2] Special Purpose Acquisition Company: Eine Mantelgesellschaft, welche zum Zeitpunkt des Börsengangs keine operativen Geschäfte aufweist. Das Ziel ist es, in kurzer Zeit ein Unternehmen zu erwerben, was mit dem SPAC verschmolzen werden soll.

[3] EY Analyse

[4] Vgl. BaFin (2019).

Startups, die durch den Magen gehen – Teil 4: Food Delivery

Im ersten Teil unserer Artikel-Reihe haben wir einen Überblick über das deutsche FoodTech-Ökosystem gegeben und die sieben größten Industrietrends vorgestellt (Startups, die durch den Magen gehen – Teil 1: Das deutsche FoodTech-Ökosystem). Teil 2 und 3 gingen einen Schritt weiter und wagten einen Deep Dive in die Trend-Segmente Next Generation Nutrition (Startups, die durch den Magen gehen – Teil 2: Next Generation Nutrition) und AgTech & Vertical Farming (Startups, die durch den Magen gehen – Teil 3: AgTech & Vertical Farming). Im vierten Teil widmen wir uns nun dem Thema Food Delivery.

Spätestens seit der Corona-Pandemie sind sie scheinbar zur neuen Normalität geworden: Food Delivery Services sprießen wie Pilze aus dem Boden und Radfahrer mit großen, quadratisch-praktischen Lieferrucksäcken sind fast zu einer Selbstverständlichkeit im Stadtbild geworden. Der Service „Food Delivery“ umfasst neben Restaurantlieferdiensten und Lebensmittellieferdiensten auch die Zustellung von Getränken und Kochboxen. Genutzt werden diese Angebote insbesondere von jüngeren Generationen: Mehr als 50 % der Nutzer von Apps zur Bestellung von Mahlzeiten sind zwischen 25 und 44 Jahre alt.[1]

Essen macht groß und stark – auch finanziell!

Wie eingangs erwähnt, floriert das Food Delivery Geschäft seit der Corona-Pandemie mehr denn je. Nie zu vor ließen sich die Deutschen so viel Essen liefern wie während der Ausgangsbeschränkungen.[2] Doch nicht nur die Konsumenten, sondern auch die Startups wurden von dem Mehrverzehr groß und stark: Während des ersten Lockdowns konnten Online-Lebensmittellieferanten ein Umsatzplus von 52,9 % gegenüber dem Jahr 2019 verzeichnen.[3] Nachvollziehbar also, dass mehr als jeder zweite investierte Euro im Bereich E-Commerce im Jahr 2021 in das Subsegment Food, das einen Marktanteil von 56 % hat, geflossen ist. Diesem wurden darüber hinaus auch die mit Abstand meisten Finanzierungsrunden für das Jahr 2021 zugeschrieben. Insgesamt wurden in 53 Finanzierungsrunden satte 2.084 Mio. € in das Startup Subsegment Food investiert.[4]

Ein alter Service mit neuer Kraft – Restaurantlieferdienste auf Wachstumskurs

Wahrscheinlich hat es jeder schon mal getan. Ob im Familienkreis, allein oder zur Mittagspause im Büro: eine ofenfrische Pizza ist schnell bestellt und geliefert. Bereits 1997 entstand mit pizza.de einer der ersten deutschen Restaurantlieferdienste. Der Service ist also nicht neu, aber dennoch gab und gibt es zwischen 2017 und 2022 einen starken Zuwachs an Nutzern und Umsatz in diesem Bereich. Während im Jahr 2017 rund 11,6 Mio. Menschen Restaurantlieferdienste nutzten und damit einen Umsatz von 1.255,4 Mio. € generierten, sollen sich die Nutzerzahlen im Jahr 2022 mit 19,3 Mio. Nutzern fast verdoppeln und mit einem Umsatzanstieg auf 2.231,1 Mio. € einhergehen. Bis 2024 soll das weitere Wachstum allerdings stagnieren. Bei ca. 21 Mio. erwarteten Nutzern beträgt der Plan-Umsatz dann etwa 2.462,2 Mio. €.[5][6]

 

Abbildung 1 – Der deutsche Markt zu Restaurantlieferdiensten: Nach vielen Zugängen, Abgängen und Übernahmen hat sich der deutsche Markt konsolidiert und wird nunmehr von internationalen Startups dominiert.[7]

Nicht nur in Bezug auf Nutzer und Umsatzzahlen kam in den letzten Jahren Bewegung in den Markt, der sich seit 2021 immer weiter konsolidiert hat. So wurden die deutschen Startups Lieferheld, Pizza.de, Foodora und foodpanda erst von Delivery Hero[8] gekauft und kurze Zeit später, mit Ausnahme von Foodpanda, im Jahr 2018 von dem niederländischen Restaurantlieferdienst Lieferando übernommen. Interessanterweise hat Delivery Hero den deutschen Markt mit diesem Verkauf vollständig hinter sich gelassen und konzentrierte sich seither auf internationale Märkte. In 2021 startete Delivery Hero mit foodpanda einen zweiten Versuch in Deutschland, der nach wenigen Monaten mit einem Marktrückzug endete. Der Hintergrund: Steigender Wettbewerb, insbesondere mit den fast zeitgleich in den deutschen Markt eingetretenen Unternehmen Uber Eats und Wolt, führte zu geringen Margen und einem Mangel an Fahrern für den Lieferservice.[9]

Neben internationalen Startups Lieferando, Uber Eats und Wolt[10] gibt es kaum nennenswerte Startups am deutschen Markt. Der einzige deutsche Wettbewerber ist derzeit Discoeat. Allerdrings auch nur indirekt, da die eigentliche Lieferung der Speisen wieder von Drittanbietern wie Wolt durchgeführt wird. Deliveroo operierte nur bis 2019 in Deutschland. Ein Grund für diese schwache Besetzung könnte die insgesamt sehr niedrige technologische Durchdringung in Deutschland sein, sodass den Deutschen grundsätzlich das Vertrauen in neue technologische Entwicklungen fehlt. Auch der Wettbewerb um Fahrer für die Lieferdienstleistungen gilt hierzulande als angespannt, da die Gehälter der Fahrer vergleichsweise hoch sind. Dennoch ist Deutschland aufgrund seiner Größe nach wie vor ein attraktiver Markt und wird oft als erste Station für eine Expansion in Europa gewählt.

 

Essen und Trinken rund um die Uhr – Lebensmittellieferdienste verändern unseren Alltag

Lebensmittellieferdienste, die sich hauptsächlich auf die Lieferung von unzubereitetem Essen und Getränken fokussieren, haben in den vergangenen Jahren eine ähnliche Nutzer- und Umsatzentwicklung erlebt wie die ihnen verwandten Restaurantlieferdienste. In 2017 nutzten 2,1 Mio. Menschen Lebensmittellieferanten und generierten dabei einen Umsatz von 136,7 Mio. €. Bis 2022 sollen sich auch hier die Nutzerzahlen mehr als verdoppeln und einen Umsatzsprung auf 350,5 Mio. € mit sich bringen.

Mit den steigenden Nutzerzahlen ist auch die Anzahl der Startups für Lebensmittellieferdienste am deutschen Markt gewachsen. Die Anbieter übertrumpfen einander mit möglichst kurzen Lieferzeiten und möglichst großen Produktpaletten. Das Scaleup Bringmeister arbeitet beispielsweise mit Supermarktketten wie Edeka zusammen. Andere Startups, wie Flink oder Gorillas, setzen auf eigene kleine Lagerstätten in den jeweiligen Städten und liefern ihre Bestellungen per Fahrradkurier aus, um die Lieferung innerhalb weniger Minuten abwickeln zu können. Andere Marktteilnehmer mit ähnlichen Business Models sind beispielsweise Getfaster.io, Food.de oder Bringoo.

Branchen-Insider sehen neben logistischen Problemen insbesondere die Vielzahl an deutschen Hygienevorschriften und die teilweise kurzen Ablaufdaten der Produkte als Herausforderungen für die Lieferung von Lebensmitteln. Ohne technologische Unterstützung sei es kaum möglich, ein holistisches Sortiment mit stets verfügbaren Produkten und pünktlichen Lieferzeiten zu gewährleisten.

Für Lebensmittellieferdienste haben sich einige Nischenangebote gebildet. Ein Alleinstellungsmerkmal verspricht sich beispielsweise das Startup Yababa, dessen Lieferangebot sich auf türkische und arabische Lebensmittel beschränkt. Die Startups Obergudt und Frischpost, die ihren Fuhrpark teilweise auf elektrische Autos umgestellt haben, spezialisieren sich dagegen auf die Zustellung regionaler Produkte. Das Startup Alpakas geht sogar noch einen Schritt weiter: Neben regionalen und organischen Lebensmitteln, setzen die Gründer auf Zero-Waste und wiederverwendbare Transport-Behälter. Eine weitere Nische wird durch Getränkelieferanten, wie das 2016 gegründete Startup Flaschenpost,[11] bedient. Ein weiterer regionaler Wettbewerber in dieser Nische ist MyWasser aus Bielefeld.

Was wie eine unerschöpfliche Goldader klingt, hat leider auch Schattenseiten. Nicht für alle Lebensmittellieferanten lohnt sich der Markteintritt. Das Startup Getnow, gegründet 2015, verkündete 2021 eine Pausierung seiner sämtlichen Services – es soll eine Neuausrichtung des Unternehmens geben. Als Grund für das Aus am deutschen Markt werden die fehlenden Skalierungsmöglichkeiten genannt. Über die Jahre hatte das Startup immer wieder mit Problemen zu kämpfen. Zuletzt in 2020, als es auf Grund von finanziellen Schwierigkeiten Insolvenz anmelden musste. [12]

 

Kochen mit Kochboxen

Auch die Nachfrage nach Kochboxen („Instant Food“) ist während der Corona-Pandemie deutlich gestiegen. Global werden die Konsumausgaben in dem Segment auf 9,5 Milliarden USD geschätzt.[13] Obwohl Hello Fresh inzwischen als Scaleup zu betrachten ist und seinen Börsenkurs seit 01/2020-01/2021 um 207 % steigern konnte,[14] prägt es weiterhin die Trends für die junge Branche.

In der Regel werden Abo-Modelle angeboten, die eine regelmäßige Versorgung und Kundenbindung fördern. Auch thematische Schwerpunkte der einzelnen Kochboxanbieter sind üblich. Bei Prepmymeal können Kunden aus einer Vielzahl unterschiedlicher Kochboxvarianten auswählen. Darüber hinaus gibt es Apps, die nicht nur vielfältige Rezepte vorschlagen, sondern auch die Bestellung und Lieferung von Zutaten anbieten. Dazu gehören unter anderem das Startup Foodly und das Bochumer Startup Choosy. Das Berliner Startup Wyldr, gegründet 2020, setzt seinen Fokus dagegen auf nachhaltige, organische und umweltfreundliche Bio-Rezepte, die mit regionalen und saisonalen Produkten gekocht und möglichst müllfrei geliefert werden. Marley Spoon, bereits 2014 in Berlin gegründet, beliefert ganz Deutschland mit so genannten Premium-Kochboxen.

Eine besondere Nische für Kochboxen sind Gourmet-Kochboxen, die ihren Käufern ein exklusives Restaurantessen in den heimischen vier Wänden ermöglichen wollen. Bei YouDinner und bei Voila wählen Kunden eine sorgfältig kuratierte Gourmetbox aus gelisteten Restaurants aus und bekommen diese nach Hause geliefert.

 

Andere Länder, andere Sitten: So geht Food Delivery im Ausland

Der Markt für Food Delivery Services ist dynamischer denn je. Ein Blick in fremde Kochtöpfe, oder in diesem Fall: auf fremde Märkte, kann einen spannenden Einblick in potenzielle Trends geben. Branchen-Insider sehen sieben wesentliche Entwicklungen aus dem asiatischen und US-amerikanischen Raum, die auch hierzulande erfolgsversprechend werden könnten:

  • Die Zusammenlegung unterschiedlicher Angebote in Plattformmodellen.
  • Das Angebot vieler unterschiedlicher Produkte in einem One-Stop-Shop versus spezialisierte Anbieter, beispielsweise für Premium-Produkte.
  • Ein Fokus auf strategische Partnerschaften. So unterstützen sich in Deutschland bereits Edeka und Gorillas gegenseitig durch das Anbieten der jeweiligen Produkte auf ihren Plattformen. Gezielte Partnerschaften mit lokalen Anbietern könnten ebenfalls einen entscheidenden Marktvorteil bringen.
  • Ghostkitchens, ein noch recht neuer Trend aus den USA, verzichten vollständig auf Personal und Gäste und fokussieren sich nur auf die Zubereitung von Speisen. Kochroboter sollen für neue Impulse in der Automation sorgen, Küchen könnten gleichzeitig für verschiedene Marken genutzt werden. Ziel ist es, höhere Margen zu generieren und die Küchen besser auszulasten. Das Startup Vertical Foods hat 2017 eine erste solche digitale Restaurantkette in Deutschland gegründet und verfügt mittlerweile über acht Standorte in Berlin.
  • Anbieter von Food Delivery Services könnten eigene Produkte/Brands im Lebensmittelbereich etablieren.
  • Auch im B2B-Bereich steigt das Angebot zur Optimierung von Bestellprozessen von Lebensmitteln per Apps. Restaurants können bespielweise mit Coco bei Lieferanten und regionalen Anbietern flexibel Zutaten bestellen.
  • In den USA durch Startups wie Starship in Kooperation mit Doordash oder durch Nuro und Kiwibot [15] bereits gern genutzt, aber hier noch Zukunftsmusik: Lieferroboter. Ihre Nutzung könnte Wettbewerbsvorteile bringen, insbesondere in Hinblick auf den Mangel an Fahrern für Lieferdienste. Experten empfehlen den Einsatz von Robotern im Lebensmittelbereich bislang jedoch aus Kosten- und Kapazitätsgründen zunächst nur für Tätigkeiten wie Verpackung und Zusammenstellung, aber (noch) nicht für die Auslieferung. [16]

 

 

[1] Kunden von Lieferdiensten – Altersverteilung 2021 | VuMA Arbeitsgemeinschaft Verbrauchs- und Medienanalyse

[2] Corona-Pandemie – Bestellung von Essen nach Hause vor und seit dem Ausbruch in Deutschland 2020 | Bitkom

[3] Food and Beverages Innovators 2021

[4] Startup Barometer 2022 | EY

[5] Online Food Delivery – Anzahl der Nutzer in Deutschland 2024 | Statista

[6] Online Food Delivery – Umsatz in Deutschland 2024 | Statista

[7] EY Analyse

[8] Delivery Hero wurde 2011 gegründet, zählt heute als Scaleup und ist im DAX gelistet.

[9] Foodpanda zieht sich aus Deutschland zurück | Süddeutsche Zeitung

[10] Wolt wurde Ende 2021 durch den Lieferdienstgiganten Doordash aus den USA übernommen.

[11] Flaschenpost ist heute ein Teil der Dr. Oetker-Unternehmensgruppe.

[12] Trotz Rettung aus der Insolvenz: Beliebter Lieferdienst stellt in Deutschland den Betrieb ein | Chip

[13] The State of European Food Tech 2021 Report | Five Seasons Ventures, dealroom.co

[14] Food Tech Invest Report 2021 | Hungry Ventures

[15] Foodtech trends and insights | Forward Fooding

[16] Paketversand: Warum die Lieferroboter noch nicht durch die Städte rollen | Handelsblatt

 

 

Verwandte Artikel:

Startups, die durch den Magen gehen – Teil 1: Das deutsche FoodTech-Ökosystem (27.09.2021)

Startups, die durch den Magen gehen – Teil 2: Next Generation Nutrition (05.10.2021)

Startups, die durch den Magen gehen – Teil 3: AgTech & Vertical Farming (26.10.2021)

Startups, die durch den Magen gehen – Teil 5: Sustainability as Core (02.06.2022)

Venture Capital und Startups in Deutschland 2021

2021 war das Jahr der Unicorns – die Anzahl der deutschen Startups mit Milliarden-Bewertung hat sich binnen eines Jahres von sechs auf 24 vervierfacht. Das Interesse am deutschen Tech-Ökosystem ist stärker als zuvor. Mehr dazu lest ihr in unserer diesjährigen „EY Venture Capital Study“, in der wir aktuelle Trends, Finanzierungsvolumina, Exits sowie M&A Aktivitäten im deutschen Startup-Ökosystem analysiert und mit Investoren gesprochen haben.

Hier kannst Du Dir die EY Venture Capital Study herunterladen.

EY Startup-Barometer Deutschland – Januar 2022

Nie zuvor floss so viel Geld an deutsche Startups wie im Jahr 2021. Der Gesamtwert aller Investitionen in deutsche Jungunternehmen hat sich mehr als verdreifacht – ein Plus von 229% auf 17,4 Milliarden Euro.
Die aktuellen Finanzierungsrunden und weitere Erkenntnisse findest du in unserem neuen „EY Startup-Barometer“.

Hier kannst Du Dir das EY Startup Barometer Deutschland herunterladen.

Startups, die durch den Magen gehen – Teil 3: AgTech & Vertical Farming

Im ersten Teil unserer Artikel-Reihe haben wir einen Überblick über das deutsche FoodTech-Ökosystem gegeben und die sieben größten Industrietrends vorgestellt (Startups, die durch den Magen gehen – Teil 1: Das deutsche FoodTech-Ökosystem). Teil 2 ging einen Schritt weiter und startete mit einem Deep Dive in das Trend-Segment Next Generation Nutrition (Startups, die durch den Magen gehen – Teil 2: Next Generation Nutrition). Im dritten Teil widmen wir uns nun den Themen AgTech & Vertical Farming.

 

EIN BEGRIFF – UNZÄHLIGE ANWENDUNGEN

Der Begriff „AgTech“ stammt aus dem Englischen und beschreibt die Schnittstelle zwischen Landwirtschaft (oder Agrarwirtschaft) und Technologie. Das United States Studies Centre (USSC) subsumiert darunter alle Produkte bzw. Dienstleistungen, die eine patentierte Technologie enthalten oder durch diese in der landwirtschaftlichen Wertschöpfungskette überhaupt erst ermöglicht werden.[1] Dabei werden AgTech-Technologien unterschiedlich klassifiziert. In den Bereich Digital Agriculture Software and Hardware fallen bspw. Sensoren oder Präzisionssoftware, die zur effizienten Vermessung von Agrarflächen genutzt werden können. Im Bereich Plant / Crop Science stehen dagegen sämtliche Modifikationen direkt an der Pflanze bzw. dem Samen im Fokus, um diese resistenter gegen Keime zu machen oder um ihre Inhaltsstoffe zu optimieren. Den Lebewesen, die für agrarwirtschaftliche Zwecke gehalten werden, widmet sich der Bereich Animal / Livestock Science. So kann beispielsweise daten-basiert das Verhalten von Rindern ausgewertet werden, um daraus Rückschlüsse auf deren Gesundheit zu ziehen. Im etwas weiteren Sinne sind sog. Post-Farm Agricultural Value Chains zu AgTech zuzuordnen. Das sind Komponenten, die in der agrarwirtschaftlichen Wertschöpfungskette erst nachgelagert auftreten. Dazu gehören neben logistischen Dienstleistungen auch Vertriebsmaßnahmen und Kooperationen mit anderen Startups (wie FinTechs) zur Abwicklung von Kaufprozessen.[2]

Aufgrund dieser weitläufigen Definition ist eine präzise Eingrenzung des aktuellen Marktvolumens schwierig. Das Finanzierungsvolumen lag 2020 in Deutschland bei rund 307 Millionen US-Dollar und betrug damit nur einen Bruchteil der global in AgriFoodTech Startups investierten 26 Milliarden US-Dollar[3]. Zum Vergleich: In Frankreich flossen im selben Zeitraum rund 660 Millionen US-Dollar in AgTechs.[4] Und obwohl die Anwendungen vielseitig und elementar wichtig sind, beschäftigen sich 2020 gerade einmal 2,1 % der deutschen Startups mit Agrarlösungen[5]. Im Vergleich beschäftigen sich immerhin 10,7 % mit anderen lebensmittelbezogenen Innovationen.[6]

Perspektivisch betrachtet muss sich dieses Engagement noch weiter erhöhen. Entwicklungen, die eine nachhaltigere und gleichzeitig gesündere Ernährung für eine stetig steigende Anzahl der Weltbevölkerung sicherstellen, sind unvermeidbar.

 

NACHHALTIGKEIT GEFORDERT: Innovationen für einen gesünderen Planeten

Um unsere Ernährungskultur nachhaltig positiv zu verändern, setzen viele Startups direkt auf unseren Tellern an. Im vorhergehenden Teil unserer Artikelreihe haben wir uns mit ihnen befasst und über Themen wie Fleisch aus dem Reagenzglas gesprochen.[7]

Doch es gibt auch Gründer, die zu einem noch früheren Zeitpunkt in der landwirtschaftlichen Wertschöpfungskette ansetzen. Getreu dem Motto „back to the roots“ bietet SeedForward beispielsweise Saatgutbehandlungen an und nimmt damit seit der „Geburt“ einer Pflanze an deren Entwicklung teil. Das junge Unternehmen hat es sich zum Ziel gesetzt, durch unterschiedliche Wirkstoffe das Pflanzenwachstum und die Ertragsstabilität von Mais und unterschiedlichen Getreidepflanzen zu verbessern. Durch die chemiefreie Beschichtung der Samen vor dem Einpflanzen sollen diese resistenter gegenüber externen Einflussfaktoren werden, ihre Nährstoff- und Wassernutzung optimieren und schlussendlich eine höhere Ertragsstabilität aufweisen. Der Ansatz von SeedForward resultiert aus der Problemstellung, dass überlebensnotwendige Ressourcen durch negative Einflussfaktoren wie Klimawandel, Wasserknappheit oder Krankheits- und Schädlingsbefall immer knapper werden.[8] Die Garantie zur Nahrungsmittelsicherheit für eine weltweit immer weiter steigende Bevölkerungszahl kann langfristig nur durch den Schutz und Erhalt unseres Ökosystems sichergestellt werden.

Auch das von drei Hobby-Gärtnern gegründete Stuttgarter Startup alphabeet setzt am Anfang der Ernährungskette an. „Der Klimawandel ist die größte Herausforderung unserer Generation. Aber das grundsätzliche Problem, das es dabei zu lösen gilt, ist unser Ernährungssystem. Der Konsument ist heutzutage völlig entkoppelt vom Ursprung seiner Nahrung – aber nur eine nachhaltige Ernährung kann unseren Planeten schonen“, sagt Gründer Jens Schmelze. Eine nachhaltige Ernährung zeichne sich seiner Ansicht nach insbesondere durch Regionalität und Saisonalität der verzehrten Lebensmittel aus, aber auch durch eine möglichst fleischlose Kost. Im Rahmen der Gründung hat das Startup viele hundert Konsumenten befragt. Die Erkenntnis: „Vielen Konsumenten ist gar nicht bewusst, welche Auswirkungen ihre Entscheidungen an der Supermarktkasse auf Themen wie Transport, Tierhaltung oder Emissionen haben. Dennoch haben viele Menschen Lust darauf, ihre eigenen Lebensmittel anzubauen – sie wissen jedoch nicht, wie das geht.“ Darum hat alphabeet ein digitales Produkt entwickelt, das mit Wissen und Anleitung Abhilfe verschafft. Von der Anlage der Beete bis zur Ernte und darüber hinaus – etwa in Bezug auf die Verarbeitung der Ernte oder die Nachbehandlung der Erde – bietet alphabeet Begleitung für Menschen, die sich dem Abenteuer Lebensmittelanbau stellen wollen.

Für professionelle Landwirte gibt es ebenfalls eine digitale Lösung zur optimalen Beet-Planung. Und diese kommt aus Berlin: Das Startup Smart Cloud Farming nutzt Satellitenbilder, um den Boden, auf dem später ein Beet angelegt werden soll, zu charakterisieren und darauf aufbauend Empfehlungen für eine ideale Bodenpflege zu geben. Damit soll vermieden werden, dass landwirtschaftliche Tätigkeiten – etwa durch Überwässerung oder Überdüngung – die Bodengesundheit und -fruchtbarkeit beeinträchtigen, was in der Spätfolge Umweltschäden und Wüstenbildung verursachen könnte. Stattdessen werden die Landwirte dazu empowert, von vornherein dafür zu sorgen, dass ihre Böden fruchtbar und „in Form“ bleiben. Das steigert ihre Produktivität und spart Zeit.

Aber nicht nur vegetarische Kost steht im Fokus von AgTech-Entwicklungen. Auch die tierische Landwirtschaft bekommt neue Impulse, etwa durch das Berliner Startup PerformaNat, das neue Futtermittelzusätze zur Steigerung und Erhaltung der Tiergesundheit entwickelt. Oder durch Monitor Fish, ebenfalls aus Berlin, die mit Hilfe von künstlicher Intelligenz ein Diagnosewerkzeug entwickelt haben, das Fischzüchtern helfen soll, ihren Fischverlust zu reduzieren. So gibt die Anwendung in Echtzeit Handlungsempfehlungen aus, etwa wenn die Fische Nahrung benötigen, ihr Gewicht sich nicht planmäßig entwickelt oder wenn die Temperatur oder Sauerstoffsättigung des Wassers einer Korrektur bedürfen. Außerdem haben Züchter die Möglichkeit, ihre Fische jederzeit live über die Handy-App zu beobachten.

 

VERTICAL FARMING: RESSOURCENMANGEL FÜHRT ZU KREATIVITÄT IM ANBAU

Knappere Ressourcen und eine steigende Bevölkerungszahl führen über die Innovationen der AgTechs hinaus aber auch dazu, dass die Organisation der Landwirtschaft als solche neu gedacht werden muss.

Das Berliner Startup Infarm hat es sich zur Aufgabe gemacht, neue Wege im Anbau von Kräutern und Salaten zu gehen. In diesem Sinne bietet es Lösungen für das sogenannte Vertical Farming an, also den landwirtschaftlichen Anbau „in die Höhe“ und nicht wie bislang üblich auf ebener Erde. Die Anlagen, in denen Salate und Kräuter angebaut werden können, werden direkt beim jeweiligen Partner vor Ort installiert. Das können Supermarkt-Filialen oder Restaurants sein. Für Großkunden ergeben sich aus der Investition spürbare Vorteile. Einerseits können Platz und Transportkosten gespart werden, andererseits können die Pflanzen bis zur optimalen Reife wachsen und einen besseren Geschmack entwickeln. Via Remote-Zugriff können Mitarbeiter zudem die Wachstumsbedingungen einzelner Kräuter überwachen und diese steuern.[9] Die Distanz zwischen Anbauort und dem Ort des Verzehrs beträgt damit quasi null. Maximale Transparenz über die Supply Chain kommt als Bonus on-top. Einige Investoren haben das Potenzial in diesem Geschäft bereits erkannt. So konnte Infarm im September 2020 stattliche 144 Millionen Euro einsammeln – und das mitten in der Corona-Pandemie![10] Über die EU-Initiative Horizon erhielt das Unternehmen im selben Jahr zudem rund eine Million Euro an Fördergeldern. Ein Zeichen für die Relevanz entsprechender Projekte bei der EU, die unterschiedliche Initiativen auf den Weg gebracht hat, um Innovationen in diesem Bereich zu fördern. [11]

Das Startup Organifarms, das seinen Sitz in Konstanz hat, hat sich ebenfalls dem Vertical Farming verschrieben. Statt Salaten und Kräutern wollen die Gründer aber Erdbeeren und perspektivisch auch weiteres Soft-Obst auf die Teller bringen. Mit ihrem ersten Produkt, einem Ernteroboter für Erdbeeren, soll dies gelingen. Bislang existiert dieser als Prototyp, soll im November mit Partnern getestet werden und seinen Marktgang Mitte 2022 erleben. Einsatz soll er in Gewächshäusern und im Vertical Farming finden, indem er die Erdbeeren pflückt, sie auf bestimmte Qualitätsmerkmale hin kontrolliert und anschließend sortiert. „Bislang war es schwierig, automatisierte Systeme in Deutschland zu entwickeln, denn die Gewächshäuser wurden oft von den Landwirten selbst gebaut, sodass keine standardisierten Maße vorlagen und die Lösungen darum höchst individualisierbar sein mussten. Der Markt in Deutschland entwickelt sich aber gerade. Vom Anbau auf dem Feld hin zu Gewächshäusern“, sagt Gründerin Hannah Brown. Dadurch werden die Systeme immer weiter standardisiert und individualisierte Anpassungen entfallen. „Leider sind die Investitionskosten oft eine große Hürde für die Landwirte“, ergänzt Gründer Dominik Feiden. Mit 1.200 bis 1.800 Euro pro Quadratmeter sind die Vertical-Farming-Systeme auch nicht gerade billig. „Für kleine deutsche Landwirte ist die Anschaffung einfach zu teuer. Insgesamt werden in Deutschland, auch von Investoren, eher kurzfristigere Investitionen bevorzugt. Das macht es schwer, Innovationen durchzusetzen.“ In anderen Ländern, beispielsweise der USA, sei die Risikobereitschaft der Landwirte (und potentieller Investoren) diesbezüglich deutlich höher. „Dort ist es okay, wenn der Return on Investment erst nach fünf oder zehn Jahren erfolgt“, schätzt Feiden ein.  

Aus diesen Gründen entwickelt sich das Vertical Farming langsam. Aber dennoch verzeichnet der Markt insgesamt ein positives Wachstum, denn: Nachhaltigkeit ist gefragt! Es findet ein Umdenken in der Gesellschaft statt, von dem Startups profitieren könnten. Aber auch die Gesellschaft als Ganze kann von den Innovationen profitieren, denn Vertical Farming ermöglicht – neben den bereits erwähnten Vorteilen – nicht nur eine Reduktion im Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln, sondern schafft auch monotone Arbeiten auf den Feldern ab, was die Lebensqualität vieler Landwirte erheblich steigern könnte.

 

AUSBLICK

Wie werden sich die Branche und ihre Innovationen in Zukunft weiterentwickeln? Insbesondere im Kontext der weiter anhaltenden COVID-19-Pandemie werden sich die bisher entstandenen Trends unserer Vermutung nach weiter verstärken. Die Pandemie hat die Verletzlichkeit von Lieferketten, auch im Lebensmittelbereich, schonungslos offengelegt. Zudem werden auch zukünftige klimatische Veränderungen uns immer wieder dazu zwingen, unsere Art des Anbaus zu überdenken und anzupassen. Dafür sind innovative Ideen und kreative Köpfe nötig. Nachhaltigkeit und Transparenz in der Lebensmittelherstellung sind bewusste Entscheidungen der Konsumenten. Diese werden sich weitestgehend unbeeinflusst durch die Pandemie weiterentwickeln. Womöglich wird es auch in Zukunft (revolutionäre) Innovationen geben, die den gesamten Sektor langfristig beeinflussen könnten. Forschern des Massachussets Institute of Technology gelang es 2020, pflanzliche Zellen in einem Labor zu züchten. Was bislang nur aus der Fisch- und Fleischindustrie bekannt war und nach wie vor mit einem Hauch von Science-Fiction behaftet ist, könnte nun also auch die Agrarbranche auf den Kopf stellen.[12]

 

 

[1] What is AgTech? — United States Studies Centre (ussc.edu.au)

[2] What is AgTech? — United States Studies Centre (ussc.edu.au)

[3] 2021 AgFunder AgriFoodTech Investment Report

[4] 2021 AgFunder AgriFoodTech Investment Report

[5] dsm_2020.pdf (deutscherstartupmonitor.de)

[6] dsm_2020.pdf (deutscherstartupmonitor.de)

[7] https://startup.ey.com/de/news/startups-die-durch-den-magen-gehen-teil2

[8] Ressourcennutzung und ihre Folgen | Umweltbundesamt

[9] www.infarm.com

[10] Infarm raises $170M in equity and debt to continue building its ‘vertical farming’ network | TechCrunch

[11] ATLAS: EU-Projekt fördert Agrar-Innovationen – Munich Startup (munich-startup.de)

[12] https://medium.com/touchdownvc/2020-trends-in-agriculture-investing-18d3031ac09f

 

 

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Anlage in Kryptowährungen: Steuerliche Aspekte in Deutschland

Der Kryptowährungsmarkt hat sich in den letzten Jahren enorm entwickelt und die allgemeine Erwartung ist, dass die Bedeutung dieser Anlageklasse in Zukunft nur noch zunehmen wird.

Neben den eigentlichen Anlegern und den Tauschbörsen existiert in diesem Bereich mittlerweile ein sehr umfassendes Ökosystem mit vielen verschiedenen Marktteilnehmer und ihren spezifischen Rollen wie z.B. Brokern, Ver- und Entleihern oder OTC-Händlern, was sowohl die große Innovationskraft als auch die zunehmende allgemeine Akzeptanz dieser Anlageklasse belegt. Auch kann beobachtet werden, dass die Grenzen zwischen dem „originären“ Kryptowährungsmarkt und den „traditionellen“ Finanzmärkten zusehends verschwimmen, sowohl was die Anlageinstrumente als auch die Infrastruktur des gesamten Kryptowährungsökosystems angeht. So bieten z.B. traditionelle Broker oder Depotbanken auch Anlagen in bzw. Aufbewahrung von Kryptowährungen an.

Deutschland hinkt dieser globalen Entwicklung etwas hinterher, allerdings nimmt die Entwicklung, sowohl im Hinblick auf die regulatorischen Rahmenbedingungen als auch bei der Handelsinfrastruktur immer stärker die Fahrt auf. So bieten beispielsweise mit Trade Republic und N26 zwei der wertvollsten deutschen Start-ups inzwischen auch Investments in Kryptowährungen an. Ferner hat die Deutsche Börse kürzlich den Kauf der Schweizer Crypto Finance AG, die institutionellen und professionellen Kunden Handel, Aufbewahrung und Investitionen in digitale Vermögenswerte anbietet, bekannt gegeben. Die Regionalbörse Stuttgart betreibt bereits eine Kryptowährungsbörse namens Bison.

Während die regulatorischen Rahmenbedingungen und die geldwäscherechtlichen Vorschriften bereits klare Konturen annehmen (die Regulierung des Kryptowährungsgeschäfts wurde im Rahmen der Umsetzung der 5. Geldwäscherichtlinie eingeführt), besteht im steuerrechtlichen Bereich noch erheblicher Klärungs- und Regelungsbedarf. Dies betrifft insbesondere die folgenden zwei Fragen:

(i) Wie werden Kryptowährungen auf der Ebene einzelner Anleger besteuert?

(ii) Wie kann eine Überprüfung der vollständigen Besteuerung durch die Finanzverwaltung sichergestellt werden („Steuertransparenz“)?

Zur Frage der Anlagerbesteuerung ist anzumerken, dass das Bundesfinanzministerium erfreulicherweise kürzlich den ersten Entwurf eines Leitfadens zur Besteuerung digitaler Währungen und Token veröffentlicht hat, der die Ansicht der Finanzverwaltung bezüglich der direkten Investments in Kryptowährungen darlegt. Dies soll die Unsicherheiten im Rahmen der direkten Investments reduzieren, auch wenn einige Ansichten der Finanzverwaltung umstritten sind.

Allerdings können die Investments nicht nur direkt, sondern auch indirekt über verschiedene Formen der „traditionellen“ Finanzinstrumente wie Tracking-Notes, Knock-Out Zertifikate oder ETFs erfolgen. Da die Steuerfolge, je nach Investmentform sehr unterschiedlich sein können, sollten diese aufgrund ihres erheblichen Einflusses auf die Netto-Rendite in die Investitionsentscheidung unbedingt immer miteinbezogen werden.

Die nachfolgende Tabelle fasst zur Veranschaulichung der Komplexität der Besteuerung die derzeit soweit ersichtlich wohl im Markt vorherrschende Meinung über die Besteuerung von Krypto-Investments aus der Sicht der deutschen Privatanleger zusammen. Die steuerlichen Folgen für die gewerblichen bzw. institutionelle Anleger, sowie die Besteuerung von Mining, Staking oder Lending von Kryptowährungen werden der Übersichtlichkeit halber außen vorgelassen.

 

  Haltedauer bis zu 1 Jahr [1] Haltedauer mehr als 1 Jahr
Direkte Investition in Krypto­währung Veräußerungs­gewinne sollten dem persönlichen progressiven Einkommen­steuersatz unterliegen Nicht steuer­pflichtig
Anlage durch Derivate [2] Gewinne sollten der pauschalen Abgeltung­steuer unterliegen Gewinne sollten der pauschalen Abgeltung­steuer unterliegen
Anlage durch Tracker Notes, die “Xetra-Gold” Kriterien erfüllen [2] Veräußerungs­gewinne sollten dem persönlichen progressiven Einkommen­steuersatz unterliegen Nicht steuer­pflichtig
Anlagen durch Tracker-Notes, die “Xetra-Gold” Kriterien nicht erfüllen [3] Veräußerungs­gewinne sollten der pauschalen Abgeltungs­teuer unterliegen Ver­äußerungs­gewinne sollten der pauschalen Abgeltung­steuer unterliegen
Investitionen durch Fonds [4] Veräußerungs­gewinne sollten der pauschalen Abgeltung­steuer unterliegen Veräußerungs­gewinne sollten der pauschalen Abgeltung­steuer unterliegen

[1] Die Haltefrist verlängert sich nach Ansicht der Finanzverwaltung auf 10 Jahre, wenn die Kryptowährungen zur Einkünfteerzielung (Mining, Staking, Leihe) eingesetzt werden.
[2] Derivate wie Futures, Forwards, Swaps, Optionen oder Knock-Out-Zertifikate
[3] Kriterien des Bundesfinanzhofs in seinen Xetra-Gold- und Gold Bullion-Entscheidungen. Xetra-Gold: BFH, Urteile vom 12.5.2015 – VIII R 35/14, VIII R 19/14 und VIII R 4/15; Urteil vom 6.2.2018 – IX R 33/17; Gold Bullion Securities: BFH, Urteil vom 16.6.2020 – VIII R 7/17.
[4] Thesaurierende Fonds, die als Investmentfonds im Sinne des deutschen Investmentsteuergesetzes gelten.

 

Wie man bereits an der obigen Tabelle erkennen kann, ist die Anlegerbesteuerung eine recht komplexe Angelegenheit. Angesichts der wachsenden Bedeutung der Krypto-Branche und dem damit einhergehenden verstärkten Fokus der Finanzverwaltung ist zu erwarten, dass auch der Beratungsbedarf sowohl im Hinblick auf die Investmentstruktur als auch die Steuer-Compliance in der nächsten Zeit erheblich zunehmen wird. Insbesondere die Lösungen, die die Steuerpflichtigen bei der Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten unterstützen, werden sicherlich verstärkt nachgefragt werden.

Die rasant wachsende Bedeutung dieses Marktes führt auch zur zweiten oben genannten Frage der Steuertransparenz.

Die Bedenken hinsichtlich eines möglichen Einsatzes von Kryptowährungen für Geldwäsche und Steuervermeidung werden immer wieder geäußert, doch die rasante Verbreitung dieser Anlageklasse und die beeindruckende Entwicklung der Infrastruktur für Transfer und Handel haben die Gesetzgeber weltweit erheblich unter Druck gesetzt, dafür Sorge zu tragen, einen umfassenden Rechtsrahmen für die Berichterstattung über erzielte Einnahmen und den Wert der Vermögenswerte, die in den Kryptowallets aufbewahrt werden, zu schaffen.

Diese Problematik der Steuertransparenz ist insbesondere im grenzüberschreitenden Kontext virulent. Aus diesem Grund besteht für die „traditionellen“ Finanzanlagen bereits seit vielen Jahren ein umfassendes Meldesystem auf der Grundlage bilateraler und multilateraler Abkommen bzw. EU-Richtlinie, das auch unter den Bezeichnungen FATCA und OECD Common Report Standard („CRS“) bekannt ist. Die FATCA Regelungen verlangen von „traditionellen“ Finanzinstituten, ihre Kontoinhaber zu identifizieren und die jeweiligen Kontoerträge und -werte der US-Kontoinhaber an die US-Steuerbehörden zu melden. CRS schafft ein ähnliches Meldesystem zwischen den Finanzbehörden der teilnehmenden Staaten in Bezug auf die Einkünfte und Vermögenswerte von Kontoinhabern, die in diesen Staaten ansässig sind.

Es ist jedoch fraglich, ob Kryptowährungen von den existierenden FATCA und CRS Regeln erfasst sind. Was Deutschland betrifft besteht derzeit ein breiter Konsensus, dass die deutschen Regeln zu FATCA / CRS aufgrund der Einstufung der Kryptowährung als „sonstige Vermögenswerte“ im Gegensatz zu den Finanzinstrumenten keine Meldung von Einkünften aus Kryptowährungen, sowie von den Kryptowährungsbeständen vorschreiben. Dies gilt jedoch nur für direkte Investments. Traditionelle Finanzinstrumente mit Kryptowährungen als Underlyings wie z.B. Derivate oder Tracker Notes sollten sehr wohl nach den aktuellen Regelungen meldepflichtig sein.

Diese Lücke bzw. Unsicherheiten im Hinblick auf die Meldung von Kryptowährungen sollte jedoch offenbar global einheitlich auf der Basis eines den FATCA und CRS Regeln nachgebildeten Meldesystems, dem sich auch Deutschland aller Voraussicht nach anschließen wird, geschlossen werden. Hierzu heißt es im OECD-Bericht zur Besteuerung virtueller Währungen vom 12. Oktober 2020, dass die OECD derzeit technische Vorschläge entwickelt, um ein angemessenes und effektives Niveau der Berichterstattung und des Informationsaustauschs in Bezug auf Krypto-Assets sicherzustellen.

Angesichts der im Umfeld von FATCA / CRS entstandenen Steuerberatungsleistungen einschließlich einiger sehr anspruchsvoller Managed-Services-Angebote ist zu erwarten, dass ein ähnliches Angebot auch im Hinblick auf Kryptowährungen von den betroffenen Marktteilnehmern nachgefragt wird, sobald der steuerrechtliche Rahmen klarer wird.

Startups, die durch den Magen gehen – Teil 2: Next Generation Nutrition

Im ersten Teil unserer Artikel-Reihe haben wir einen Überblick über das deutsche FoodTech-Ökosystem gegeben und die sieben größten Industrietrends vorgestellt (Startups, die durch den Magen gehen – Teil 1: Das deutsche FoodTech-Ökosystem). Teil 2 geht einen Schritt weiter und startet mit einem Deep Dive in das Trend-Segment Next Generation Nutrition.

Abbildung 1 – Die sieben Industrietrends im Überblick

Vegane Schnitzel, Tofu-Frikadellen oder Soja-Würstchen hat heutzutage vermutlich jeder schon einmal im Supermarkt gesehen. Zu den so genannten alternativen Proteinen, die einen wesentlichen Anteil des Marktes für Next Generation Nutrition ausmachen, zählen aber auch im Reagenzglas erzeugte Fleisch- und Fisch-Imitate, Insekten-Proteine, sowie mit künstlichen Molke-Proteinen oder pflanzlichen Hülsenfrüchte-Extrakten angereicherte nicht-tierische Milchprodukte. Aber warum erfahren alternative Lebensmittel derzeit so viel Aufmerksamkeit und ist ein künstlich erzeugtes Fleisch-Imitat wirklich gesünder für unseren Organismus als sein natürliches Vorbild?

Warum das Ganze?

7,8 Milliarden Menschen leben heute auf unserer Erde. Bis 2050 wird sich diese Zahl laut Prognosen der Vereinten Nationen auf 9,7 Milliarden erhöht haben.[1] Gleichzeitig zeigen Prognosen über klimatische Veränderungen und deren Auswirkungen, dass die globalen Emissionen bis 2050 auf unter die Hälfte des Niveaus von 1990 sinken müssen, um eine Stabilisierung der Treibhausgaskonzentration zu erwirken.[2] Um eine ausreichende Versorgung aller Menschen und gleichzeitig eine Reduzierung von umweltschädlichen Stoffen zu gewährleisten, müssen sich die traditionelle Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion jedoch radikal ändern. Vor allem die Versorgung mit Proteinen spielt dabei eine zentrale Rolle, denn der wachsende Konsum von tierischen Produkten hat nachweislich negative Auswirkungen auf die individuelle Gesundheit und die Gesundheit unseres Planeten.[3] Eine stetig wachsende Zahl von Startups hat dieses Handlungsbedürfnis bereits erkannt und befasst sich darum mit der Produktion und dem Vertrieb von alternativen Proteinen. Innerhalb der letzten fünf Jahre hat sich der Markt für Fleisch-Imitate auf pflanzlicher Basis, auf Insekten-Basis und auf künstlich hergestellter Basis gemeinschaftlich betrachtet bereits verzehnfacht.[4]

Das ist nicht Fleisch und nicht Fisch!

Fleisch-Imitate auf pflanzlicher Basis sind heutzutage kein Hexenwerk mehr. In Asien versorgen Lebensmittel wie Tofu, Tempeh und Saitan die Menschen sogar bereits seit Jahrhunderten mit Eiweiß. Auch auf dem europäischen Markt haben diese Produkte schon vor Jahren mehr oder weniger erfolgreich Einzug gehalten. Größerer Beliebtheit erfreuen sich hierzulande jedoch Lebensmittel, die in ihrer Konsistenz näher am echten Fleisch dran sind. Diese werden in der Regel durch den Einsatz von entöltem Sojamehl, Sojaproteinkonzentraten oder Weizengluten hergestellt, wodurch den Proteinen eine fleischähnliche, faserige Struktur verliehen wird. Um die Verbraucherakzeptanz für pflanzliche Fleischersatzprodukte noch weiter zu erhöhen, forschen viele Startups an der Optimierung von Faktoren wie der allgemeinen Qualität, dem Geschmack, der Saftigkeit, der Bissfestigkeit und der Nährwerte des pflanzlichen Fleischs. Z.B. arbeitet in Wiggensbach/Allgäu die Sunflower Family schon an einer pflanzlichen Hackfleischalternative.   

Neben den bereits bekannten, rein pflanzlichen Fleisch- und Milchprodukt-Alternativen wird die Zukunft der Proteinvielfalt immer mehr zellbasierte Produkte einschließen. Dabei werden beispielsweise Hühnerzellen im Labor skaliert und „geerntet“. Auf diese Weise können aus einer einzelnen Zelle mehrere Milliarden Zellen im Reagenzglas gezüchtet werden, die als Nahrungsmittel und Proteinersatz verzehrt werden können. Dieses so genannte kultivierte Fleisch hat den Vorteil, dass es geschmacklich und hinsichtlich seiner Konsistenz nicht mehr oder kaum noch vom Original unterschieden werden kann und daher auf ein höheres Interesse beim Verbraucher stößt. Leider ist es schwierig, in Europa und insbesondere in Deutschland ein Startup zu gründen, das kultiviertes Fleisch produziert. Das liegt einerseits an den durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) festgelegten umfangreichen Regularien. Bislang wurde in Deutschland noch keine Zulassung für die Herstellung von kultiviertem Fleisch erteilt. Orientiert man sich an der üblichen Dauer von EFSA-Zulassungsverfahren, könnte es schätzungsweise 24 Monate dauern, bis ein Regulationsprozess vom Antrag bis zur Zusage abgeschlossen werden kann Somit ist mit kultiviertem Fleisch in deutschen Supermärkten sehr wahrscheinlich frühestens Ende 2023 zu rechnen – und das auch nur dann, wenn ein Zulassungsantrag schon heute gestellt werden würde. Andererseits gibt es in Deutschland keine Fördermöglichkeiten für Startups, die Fleisch-Imitate im Reagenzglas züchten wollen. David Brandes, der Gründer von Peace of Meat, sagt: „2018/2019 hätte ich gerne ein FoodTech-Unternehmen in der DACH-Region gegründet. Aber in Belgien, wo sich unsere Firma letztlich angesiedelt hat, wird der Zugang zu staatlichem Kapital und struktureller Unterstützung deutlich proaktiver zur Innovationsförderung eingesetzt. Auch Holland und Israel sind in dieser Hinsicht weiter. Gerade im letzten Jahr hat sich in der DACH-Region allerdings sowohl auf staatlich-regulatorischer Ebene als auch in Bezug auf private Akteure und Vereinigungen einiges getan, der internationale Wettbewerb bleibt also spannend.“ In Belgien produziert das junge Unternehmen nun kultivierte Fette im B2B-Play. Das heißt, dass die Fette als Inhaltsstoff an Produzenten von pflanzenbasierten Fleisch-Imitaten verkauft werden, die damit ihrerseits en Produkt fertigen können, das mehr nach echtem Fleisch schmeckt.

Abbildung 2 – Kultiviertes Fett, ©Peace of Meat

 

Weniger stark reguliert ist dagegen die Produktion von kultiviertem Fisch. Was in den USA bereits ein großer Trend ist, wird in Deutschland u.a. durch die Berliner Startups Bluu Biosciences und Planetary Foods ins Rollen gebracht. Kultivierter Fisch hat gegenüber kultiviertem Fleisch aber auch andere Vorteile, die den Produktionsprozess vereinfachen: Die erzeugten Zellen sind temperaturresistenter und das Muskelfleisch des Fisches ist weniger komplex, sodass die Weiterverarbeitung zu strukturierten Lebensmitteln einfacher ist als bei Fleisch. „Das Beste daran: Es schmeckt wie echter Fisch“, findet Bluus Co-Gründer Simon Fabich, der den Labor-Fisch selbst probiert hat. „Außerdem können kultivierte Zellen an den Menschen und dessen Bedürfnisse angepasst werden. Wir können beispielsweise den Omega3-Gehalt des Fisches maximieren und damit die gesundheitlichen Vorzüge von Fisch gegenüber Fleisch noch verstärken.“ Auch die regionale Bindung an bestimmte Fischarten kann durch zellbasierte Verfahren aufgelöst werden. Jede Fischart kann an jedem Ort hergestellt werden – unabhängig davon, wie weit dessen heimisches Gewässer entfernt liegt. Aus der Sicht des Gründers sei es nicht mehr länger vertretbar, Fisch und Fleisch auf traditionelle Art zu erzeugen, wenn die Herstellung im Labor so viel nachhaltiger und gesünder sei. Außerhalb des Reagenzglases schwimmen auch pflanzliche Fisch-Imitate im Innovationsmeer der FoodTech-Szene mit. Diese Produkte sind bereits marktreif und darum schon jetzt eine greifbare Alternative für den Verbraucher. Happy Ocean Foods aus München und Wunderfish aus Berlin wollen mit ihren Produkten gegen die Überfischung der Weltmeere vorgehen und der Fischerei gleichzeitig eine Erwerbsalternative bieten. Denn: ihre pflanzlichen Sea Foods bestehen zu wesentlichen Teilen aus Meeresalgen.

Kaum am hiesigen Markt durchgesetzt haben sich bislang Insekten-Proteine, wie sie beispielsweise von der Bug Foundation (Osnabrück), Wicked Cricket (München) oder Swarm Protein (Köln) hergestellt werden. Die Nachfrage der Verbraucher nach diesen Produkten ist in den westlichen Teilen der Bevölkerung eher verhalten.[5] In anderen Regionen haben sich Insekten auf der Speisekarte dagegen längst etabliert. So wird der krabbelige Markt bis 2023 voraussichtlich einen globalen Wert von einer Milliarde Euro erreichen.[6] Einsatz finden die Protein-Bomben in Deutschland aber dennoch: Als Futter für Tiere innerhalb der fleischverarbeitenden Industrie.

Am internationalen Markt existieren weitere Lösungsansätze für eine nachhaltigere und umweltschonendere traditionelle Fleischproduktion. So forscht das schwedische Startup Volta Green beispielsweise an der Verwendung von Rotalgen als Futtermittel für Kühe. Die dabei freigesetzten Stoffe können den Methanausstoß der Kühe um bis zu 80 % reduzieren. Strittig ist bislang jedoch noch, ob weitere Inhaltsstoffe Langzeitschäden bei Tier und Konsument verursachen können.[7]

Eine gesunde Ernährung besteht natürlich nicht nur aus Fleisch und Fisch. Um Abwechslung auf den tierfreien Teller zu zaubern, widmen sich einige Startups auch der Herstellung von alternativen Milchprodukten. Auch das gelingt bislang entweder auf pflanzlicher oder auf zellulärer Basis. In Berlin brodeln die Kochtöpfe dabei besonders laut: Während das Startup Legendairy Foods in seinen Laboren veganen Mozzarella aus künstlichen Milcheiweißen kultiviert, entwickeln und vertreiben VlyFoods pflanzliche Milchalternativen auf Basis von Spalterbsenprotein. In München setzt man dagegen auf Leistungsfähigkeit: Die Yfood Labs werben mit einem veganen Power-Drink als kompletten Mahlzeitenersatz. Und im Allgäu hat sich Simply V auf die Herstellung einer pflanzlichen Käse-Alternative fokussiert.

Und was ist gesünder?

So lecker und umweltschonend eine vegetarische oder vegane Ernährung ist, so heftig wird sie auch seit jeher diskutiert. Unklarheiten und Kontroversen heizen insbesondere öffentliche Auseinandersetzungen mit dem Thema immer wieder an. Der griechische Arzt Hippokrates sagte seinerzeit: „Eure Nahrung sei eure Medizin und eure Medizin sei eure Nahrung“ und meinte damit nichts anderes, als dass Krankheit und Gesundheit unmittelbar mit unserer Ernährung zusammenhängen. Nach Ansicht der Academy of Nutrition and Dietetics,[8] ist eine gut gestaltete vegan-vegetarische Ernährung für alle Alters- und Lebensphasen geeignet. Zurückhaltender ist die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), die sich nicht klar für eine vegane Ernährung in allen Lebensphasen ausspricht.[9] Erwiesen ist dagegen, dass Vegetarier*innen und Veganer*innen seltener an „Volkskrankheiten“ wie Herzerkrankungen, Typ-2-Diabetes und Übergewicht erkranken als Menschen, die viele Fleischprodukte konsumieren. Auch die Cholesterinwerte im Blut unterscheiden sich deutlich zu Gunsten der nicht-fleischverzehrenden Bevölkerung, da pflanzliche Lebensmittel einen sehr geringen Cholesterol-Anteil aufweisen.[10] Ein starker Zusammenhang besteht Studien zufolge zudem zwischen der Erkrankung an Darmkrebs und dem übermäßigen Verzehr von rotem und verarbeitetem Fleisch.[11] Allerdings beschäftigen sich vegan oder vegetarisch lebende Menschen häufig generell sehr viel mit Themen wie Ernährung, Inhaltsstoffen und Nährwerten und pflegen einen insgesamt gesünderen, von körperlicher Aktivität geprägten Lebensstil, sodass die positiven Auswirkungen auf Körpergewicht und Herzgesundheit natürlich zusätzlich verstärkt werden und nicht allein auf die fleischlose Komponente in der Ernährung zurückgeführt werden können.

Neben möglichen Auswirkungen des Fleischkonsums auf unsere Gesundheit per se, haben auch externe Faktoren in der Fleischproduktion einen Einfluss auf uns. Der hohe Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung kann beispielsweise zu Antibiotikaresistenzen beim Konsumenten führen, die eine Behandlung von Erkrankungen zunehmend erschweren. Rund 733 Tonnen Antibiotika werden in Deutschland pro Jahr an Tierärzte abgegeben.[12] Im Freiland gehaltene Tiere weisen darüber hinaus eine hohe Dioxinbelastung auf,[13] die unserer Leber erheblich schadet.[14] Aufgrund dieser externen Umstände ist bislang unklar, ob auch der Verzehr von Fleisch-Imitaten aus dem Reagenzglas dieselben gesundheitlichen Risiken mit sich bringt wie der Verzehr von traditionellem Fleisch. Oder anders gesagt: So lange nicht eindeutig nachgewiesen werden kann, ob die negativen Folgen für unsere Gesundheit aus dem Fleischverzehr an sich resultieren oder ob sie im Wesentlichen auf die Tierhaltung und Weiterverarbeitung zurückzuführen sind, kann keine valide Aussage darüber getroffen werden, ob zellbasiertes Fleisch gesünder als herkömmliches Fleisch ist. Zudem ist bislang nicht vollständig erforscht, ob zellbasiertes Fleisch seinerseits noch ganz andere, negative Auswirkungen auf unseren Organismus haben kann.  

Auch bei pflanzenbasierten Fleisch- und Milchalternativen ist nicht alles Gold, was glänzt. Insbesondere zwischen konventionellen Erzeugnissen und solchen aus ökologischer Erzeugung bestehen zum Teil große Unterschiede hinsichtlich ihrer enthaltenen Zusatz- und Nährstoffe.

 

 

[1] https://www.dsw.org/weltbevoelkerung/

[2] https://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/klimawandel/zu-erwartende-klimaaenderungen-bis-2100

[3] Umweltbundesamt – Die Zukunft im Blick: Fleisch der Zukunft, 2019

[4] The State of European Food Tech 2021, Five Seasons Ventures and dealroom, March 2021

[5] van Huis & Tomberlin, 2017c

[6] Fleischatlas, Heinrich Böll Stiftung, Januar 2021

[7] Kann unser Fleisch mit Algen klimaneutral werden, Deutsche Welle, April 2021

[8] Zusammenschluss aus rund 67.000 Ernährungsberaterinnen und -beratern, Forscherinnen und Forschern sowie medizinischen Fachleuten

[9] Sonderheft „Vegane Ernährung“ der Ernährungs Umschau 2020

[10] https://albert-schweitzer-stiftung.de/themen/vegan-gesund / Crowe, Appleby, Travis & Key, 2013 / Huang et al., 2012 / Sinha, Cross, Graubard, Leitzmann & Schatzkin, 2009 / Heseker, H. & Heseker, 2015

[11] Bouvard et al., 2015; Godfray et al., 2018; Stewart & Wild, 2014

[12] Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), 2019

[13] (Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), BfR, UBA & RKI, 2011

[14] BfS et al., 2011)

 

 

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Ein saftiger Weihnachtsbraten, duftende Schokoladenkekse, frisches Obst. Massentierhaltung, Lebensmittelverschwendung, gesundheitliche Probleme. Wie so vieles im Leben, ist auch unsere Ernährung eine Medaille mit zwei Seiten. Von der Produktion bis zum Konsum von Lebensmitteln existieren Ineffizienzen, die eine nachhaltige und gesunde Versorgungskette hemmen. Darüber hinaus hat auch die Corona-Pandemie die Ernährungssicherheit und Ernährung von Millionen Menschen weltweit gefährdet. So wirken sich die Maßnahmen zur Bekämpfung des Virus nach Einschätzung der Vereinten Nationen bereits auf globale Nahrungsmittelversorgungsketten aus: Grenzbeschränkungen und Ausgangssperren verzögern die Ernten, saisonale Arbeitskräfte verlieren ihre Existenzgrundlage, der Transport von Nahrungsmitteln zu den jeweiligen Märkten wird verhindert.[1] Infolgedessen steigt der Wunsch der Verbraucher nach Nachhaltigkeit und Sicherheit. So ist es nicht verwunderlich, dass das Jahr 2020 einen Wendepunkt für Food-Startups (so genannte „FoodTechs“) markiert. Er spiegelt sich in einer steigenden Anzahl an neuen Startups, einem Wachstum der bereits bestehenden Startups und in einem steigenden Investitionsvolumen innerhalb der Branche wider.[2] Der nachfolgende Artikel gibt einen Überblick über das deutsche FoodTech-Ökosystem und die sieben größten Industrietrends. 

Wo beginnt unsere Ernährung und wo endet sie?

Um die Implikationen der Trendwende zu verstehen, ist es relevant, zunächst die Wertschöpfungskette der Lebensmittelindustrie zu verstehen. Die Theorie unterscheidet fünf Bereiche:

Abbildung 1 – Lebensmittelversorgungskette

Die Vorproduktion bildet den Anfang der Wertschöpfungskette und widmet sich den für den Lebensmittelanbau benötigten Rohstoffen, dem Futter für die Nutztiere und den für die Lebensmittelproduktion benötigten technischen Anlagen und Maschinen. Das nächste Glied der Kette, die Produktion, geht einen Schritt weiter und umfasst neben der allgemeinen Land- und Viehwirtschaft auch Themen wie die Bewässerung und das Düngen von Feldern. Die Verarbeitung regelt beispielsweise die Auslese und Sortierung der Ernte, ihre Trocknung und Kühlung sowie ihre Verpackung und Lagerung. Bis zu diesem Punkt charakterisiert sich die Wertschöpfungskette hauptsächlich durch B2B-Modelle, die insbesondere durch Automatisierungslösungen und nachhaltigere Methoden weiterentwickelt werden.

Damit die Lebensmittel am Ende aber auch auf unseren Tellern landen können, agiert das Ende der Wertschöpfungskette ebenfalls im B2C-Bereich. So muss die Verteilung logistische Probleme lösen, den Groß- und Einzelhandel einbeziehen, Vertriebswege erschließen und die Lieferung sicherstellen. Abgeschlossen wird die Versorgungskette durch den Konsum der Lebensmittel. Dazu zählen neben dem privaten Verzehr auch alles, was Restaurants betrifft und Problemstellungen des Abfallmanagements. Die Anzahl der Startups mit innovativen Lösungsansätzen für die Verteilung und den Konsum von Lebensmitteln sowie das Investitionsvolumen, das diesen Startups begegnet, wächst derzeit um ein Vielfaches.[3]

Revolution im Kühlschrank: FoodTechs und Industrietrends

Innovative Lösungsansätze für ernährungsbezogene Probleme beginnen und enden natürlich nicht (nur) im Kühlschrank. Viel mehr zahlen viele Startups in mehrere Bereiche der Industrie-Wertschöpfungskette ein. Hierbei kristallisieren sich spezifische Trend-Segmente heraus, die im unten abgebildeten Venn-Diagramm dargestellt werden.

Zu diesen Segmenten gehörten etwa 250 Food-Startups, die in einem Screening aggregiert und hinsichtlich bestimmter Fragestellungen und Parameter geprüft wurden, um eine finale Einstufung als Startup und FoodTech vorzunehmen.[4] Startups, die dem Screening standgehalten haben, könnten durch ihre Produkt-, Dienstleistungs- oder Prozessinnovationen Effizienzsteigerungen erzielen und gleichzeitig nachhaltigere Ernährungslösungen für die wachsende Bevölkerung bereitstellen.

Dem Segment AgTech & Vertical Farming gehören Startups an, die Probleme der Land- und Viehwirtschaft lösen wollen. Dazu gehören neben globalen Herausforderungen, wie die Verringerung von CO2-Emissionen, auch das Auflösen von bestehenden Abhängigkeiten durch Investitionen in die Diversifizierung des Anbaus.

Abbildung 2 – Segmente der deutschen FoodTechs

Land- und Viehwirtschaft müssen in den Bereichen Lebensmittelproduktion, Lebensmittelverarbeitung und Lebensmitteltechnik zudem einerseits ihre Produktion steigern, aber gleichzeitig nachhaltiger werden. Hinzu kommt ein gravierendes Platzproblem. Bis zum Jahr 2050 soll bis zu 68 % der Weltbevölkerung in urbanen Ballungszentren leben. Dies erfordert zusätzlich auch dezentrale Lösungen zur Lebensmittelerzeugung. Die Lösungen: Smart Farming bedient sich digitaler Technologien, um effizienter zu produzieren. Agri Gentechnik setzt auf angepasste und schädlingsresistente Pflanzenarten. Und Vertical Farming ist ein Ansatz, um platzsparend und ressourceneffizient zu produzieren. Insgesamt ergibt sich ein gewaltiges Potential: Der Markt für AgTech & Vertical Farming wird sich bis 2025 im Vergleich zu 2020 verdreifachen (auf circa 32 Milliarden Euro).[5] [6]

Food Processing widmet sich digitalen Prozessinnovationen in der Lebensmittelverarbeitung, die dadurch ressourceneffizienter und transparenter gestaltet werden kann. Dazu gehören beispielsweise Smart Factories, die Lebensmittel weitestgehend automatisiert verarbeiten und sie in Bezug auf ihre Inhaltsstoffe an individuelle Endkundenbedürfnisse anpassen können. Auch Food Printing ist in diesem Segment angesiedelt. Darunter versteht man Lebensmittel, die mit einem 3D-Drucker in bestimmte Formen gepresst werden. Abschließend wird auch die Reduzierung von Verpackungen und der Einsatz nachhaltiger Verpackungslösungen unter Food Processing subsummiert.

Näher am eigenen Kühlschrank dran ist das Segment Restaurant & Kitchen Tech. Hier tummeln sich beispielsweise Startups, die Restaurant-Plattformlösungen für den direkten Endkundenzugang (u. a. für Reservierungen und personalisierte Menüs) sowie für die Reduzierung von Food Waste durch das Angebot von übrig gebliebenen Lebensmitteln zu vergünstigten Konditionen anbieten. Oder Startups, die Smart Kitchen-Lösungen für eine automatisierte und effizientere Herstellung von gesunden Gerichten entwickeln. Virtual Kitchens sind dagegen neue Geschäftsmodelle, die sich Themen wie der Bereitstellung von Räumlichkeiten zum Kochen oder dem Restaurant-Erlebnis für Zuhause widmen. Auch Virtual Food ist ein Treiber dieses Segments. Dabei simulieren elektronische Systeme die Nahrungsaufnahme, obwohl in der Realität keine oder andere Nahrung aufgenommen wird.

Unter Food Delivery finden sich zahlreiche Anbieter für Online-Lebensmitteleinkäufe. Während der Corona-Pandemie haben diese Angebote eine starke Nachfrage erfahren und sind von reiner Bequemlichkeit teilweise zu schierer Notwendigkeit geworden.[7] Insbesondere kurzfristige Lieferungen und Lieferungen rund um die Uhr penetrieren den Markt seit 2020 und haben ein großes Wachstumspotential.

Von Next generation Nutrition und speziell von alternativen Proteinen hat heutzutage vermutlich jeder schon einmal gehört. Fleisch-Imitate werden im Wesentlichen durch drei verschiedene Ansätze erzeugt: auf pflanzlicher Basis, aus Insekten oder in kultivierter Form aus dem Reagenzglas. Auch nicht-tierische Milchprodukte gehören durch den Einsatz von künstlichen Molke-Proteinen oder pflanzlichen Hülsenfrüchte-Extrakten zu den alternativen Proteinquellen. Dank neuer Verfahren gibt es zudem auch Nischenlösungen, die veganen Honig oder kultivierten Fisch anbieten.

Sustainability as Core geht einen Schritt über die allgemeine Nachhaltigkeit hinaus und beschäftigt sich ganz konkret mit nachhaltigen Lebensmitteln und Geschäftsmodellen. Das können zum Beispiel vegane oder organische Lebensmittel sein, die an plastikfreie Verpackungen gekoppelt sind. Auch Gütesiegel, die eine besonders nachhaltige Art der Produktion ausweisen – wie „Bio“, „Umweltbewusst“ und „Fairtrade“ erleben durch den Einsatz von digitalen Technologien eine Renaissance. Hierbei wird vor Allem auf den Verzicht von schädlichen Inhaltsstoffen, Antibiotika und Pestiziden gesetzt. Organische Pestizide und Startups, die diese herstellen, sind dagegen sehr erfolgreich am Markt. Neben den Speisen und ihrer Herstellung sind auch Themen wie Abfallmanagement (durch Wiederverwertung oder Weiterverarbeitung zu Düngemitteln) und die Vermeidung von Food Waste (durch Softwarelösungen zum Tracking von Mindesthaltbarkeitsdaten, die an eine Verteilung an Bedürftige gekoppelt sind) relevant für dieses Segment.

Last but not least ist das Segment Health & Fitness ein aussichtsreicher Markt, dem seit jeher eine große Aufmerksamkeit und stetig steigende Nachfrage innewohnen. Startups in diesem Bereich bieten ihren Kunden oftmals eine Hybridlösung aus Produkt und Dienstleistung an, um ihnen eine gesunde Ernährung zu ermöglichen. Typischerweise operieren diese Anbieter durch eine App, um für ihre Endkunden stets erreichbar zu sein. Angebote für personalisierte Gesundheitsstrategien, Ernährungsberater und Diätmanager sind klassische Beispiele. Einige Startups in diesem Bereich bieten Bluttests für Zuhause mit einer gekoppelten Auswertung via App an, auf deren Basis eine individuelle Zusammenstellung von Nahrungsergänzungsmitteln erfolgt. Andere Startups entwickeln dagegen konkrete Lebensmittel zur Fitness-Förderung. Produktlösungen, die Wasser mit Mineralien anreichern oder Superfoods, die für Sportler*innen und Schwangere entwickelt werden, seien an dieser Stelle nur exemplarisch genannt.

So unterschiedlich die Player der Segmente auch sind, eines haben sie gemeinsam: Sie setzen stark auf Produktivität, Nachhaltigkeit und Gesundheit, um dem Verbraucher „von heute“ und seinen Bedürfnissen zu entsprechen.

Stay tuned: In Teil 2 unserer FoodTech-Reihe werden wir uns dem Segment Next Generation Nutrition widmen.

 

 

[1] Kurzdossier: Die Auswirkungen von COVID-19 auf Ernährungssicherheit und Ernährung, Vereinte Nationen, Juni 2020

[2] Hydroponics, Aeroponics and Others, Market Study Report, Januar 2021

[3] The State of European Food Tech 2021, Five Seasons Ventures and dealroom, March 2021

[4] EY Analysis

[5] Hydroponics, Aeroponics and Others, Market Study Report, Januar 2021

[6] Juniper Research, März 2021

[7] The State of European Food Tech 2021, Five Seasons Ventures and dealroom, March 2021

 

 

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Die Tokenisierung von Assets: Wie deutsche Startups die Tür zu einer neuen Art von Investitionen öffnen können

Institutionelle Investoren und private Anleger investieren bislang am Kapitalmarkt hauptsächlich in physische, mehr oder weniger liquide Eigen- und Fremdkapitaltitel wie Aktien und Schuldverschreibungen oder Fonds. Die Ineffizienzen durch den zweistufigen Prozess aus Handel und Nachhandel (Post-Trade-Processing) für Wertpapiere wurden bislang mangels effizienterer Alternativen am Markt hingenommen. Eine direkte Investition in illiquide Vermögens- und Sachwerte erfolgte bisher selten. Während Immobilienfonds am traditionellen Kapitalmarkt ein Vehikel für das Investment in illiquide Immobilien darstellen, ist eine direkte Investition in Kunst oder Luxusgüter vor dem Hintergrund des umständlichen Erwerbs, der aufwändigen Erhaltung und des Verkaufs oftmals – wenn überhaupt – nur für institutionelle Anleger mit einem langen Anlagehorizont interessant. Eine Investition in Immobilien geht bei der durschnittlichen Privatperson – wenn überhaupt – oftmals über das selbst bewohnte Eigenheim nicht hinaus. Hohe Mindesteinlagen und Verwaltungskosten oder lange Haltefristen machen ein Investment in Immobilienfonds häufig uninteressant.

Die Digitalisierung der heutigen Welt stoppt jedoch nicht vor den Kapitalmärkten. Die Distributed-Ledger-Technologie (DLT), vor allem als Blockchain-Technologie bekannt, versprach bereits vor mehr als zehn Jahren eine disruptive Innovation in zahlreichen Anwendungsfeldern, konnte ihr Potenzial jedoch bisher nicht vollumfänglich unter Beweis stellen. Dies könnte sich nun durch die Digitalisierung von Vermögenswerten, die auch als Tokenisierung bezeichnet wird, teilweise ändern. Die Tokenisierung von Assets auf Basis der DLT ermöglicht sowohl institutionellen Anlegern als auch Privatanlegern die Investition in bislang illiquide Vermögenswerte. Die Investition kann hierbei schon mit relativ kleinen Beträgen erfolgen. Das Anlageuniversum wird durch digitale, tokenisierte Vermögenswerte um neue Anlageklassen bereichert und bietet interessierten Anlegern die Partizipation an den entsprechenden Renditen.

Einige Startups in Deutschland haben bereits die aus der Tokenisierung resultierenden Möglichkeiten erkannt und setzen die zahlreichen Anwendungsmöglichkeiten innerhalb der Wertschöpfungskette von tokenisierten Assets um. Hierbei haben deutsche Startups bereits spezifische Betätigungsfelder und Zielmärkte für sich definiert. Die gesamte Wertschöpfungskette kann in die Phase vor der Emission, der Emission selbst und die Phase nach der Emission der Token differenziert dargestellt werden (siehe Abbildung).

 

Funktion der Tokenisierung von Assets und beispielhafte Übersicht der aktiven Startups im Markt

Die Phase vor der Emission kann als Pre-Emissionsphase bezeichnet werden. Zu Beginn ist durch Vertragsgestaltung das Eigentum und die Verfügungsbefugnis über die physischen Vermögensgegenstände – die den späteren Token zugrunde liegen – eindeutig juristisch zu fixieren. Für die Emission von Eigen-oder Fremdkapitaltiteln, denen keine physischen Vermögensgegenstände zugrunde liegen, hat ebenfalls zu Beginn eine vertragliche Festhaltung der Emissionsbedingungen zu erfolgen. Token unterliegen je nach Ausgestaltung im Einzelfall der bestehenden Finanzmarktregulierung.[1] Plant der Emittent die Ausgabe von sogenannten „Security Token“ an Privatkunden, die als Wertpapiere im Sinne der Europäischen Finanzmarktrichtlinie (Richtlinie (EU) 2014/65 – MiFID II) zu qualifizieren sein können, so wäre im Rahmen der Pre-Emissionsphase auch die Erstellung eines Wertpapierprospekts nach der Prospektverordnung(Verordnung (EU) 2017/1129 – EU-ProspektVO) notwendig.[2] In diesen als „Security Token Offering“ (STO) bezeichneten Fällen müssen die erstellten Prospekte anschließend im Rahmen eines aufsichtsrechtlichen Genehmigungsprozesses von der deutschen Aufsichtsbehörde, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), geblligt werden. Emittenten von Token, die diesen Mehraufwand des Genehmigungsprozesses auf sich nehmen, bieten ihren Investoren nach Genehmigung der Token die gleichen Leistungen wie bei traditionellen Finanzmarktemissionen. Den ersten STO auf dem deutschen Markt hat Bitbond im Januar 2019 durchgeführt. Die tokenisierte Anleihe wurde offiziell von der BaFin zugelassenen. Die Startups Bloxxon und CPI Technologies GmbH beraten ihre Kunden bereits in dieser frühen ersten Phasen der Tokenisierung durch das vorhandene Netzwerk. Daliado übernimmt über eine Kooperation ausschließlich die Gestaltung der rechtlichen Verträge. Cashlink hingegen bietet insbesondere ein Angebot im Rahmen des aufsichtsrechtlichen Genehmigungsprozesses durch das eigene Netzwerk. Finexity besitzt ein internes Team für die Vertragsgestaltung. 360X agiert in der Vertragsgestaltung mit einem Tochterunternehmen, um die speziellen Erfordernisse der Tokenisierung von Immobilien und Kunst gerecht zu werden.

Zu Beginn der Emissionsphase erfolgt die technische Ausgabe und Abbildung der Token auf der gewählten Blockchain. Auf der Blockchain können die Eigentumsverhältnisse und Rechte an den zugrundeliegenden Vermögenswerten digital abgebildet werden. Als Tokenisierungsplattform wird am Markt meistens die Ethereum-Blockchain verwendet. Als technische Standards für die Smart Contracts der Security Token auf der Ethereum-Blockchain haben sich unter anderem der ERC-1400, ERC-1404 und ERC-1410[3] als vorteilhaft am Markt erwiesen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass diese die im Rahmen eines STO notwendige Identifizierung der Investoren ermöglichen. Die Verwendung anderer ERC-Standards bietet wiederum andere Funktionen und Einschränkungen.

Die Abbildung der Security Token auf der Blockchain wird neben den Startups Cashlink, Bitbond, Finexity und Bloxxon auch von der Tokenfabrik, Quorum Control und Daliado am Markt angeboten. Die Abbildung der Security Token erfolgt bei 360X über ein Tochterunternehmen. Nach der Ausgabe der Token haben Investoren die Möglichkeit in den Token zu investieren. Ob der Erwerberkreis zu diesem Zeitpunkt bereits feststeht oder die Token frei am Markt verfügbar sind, steht häufig in Abhängigkeit von der Projektart der Tokenisierung. Der Zugang für die Investoren ist stets mit einer Identifizierung der Investoren, dem sogenannten Know-Your-Customer (KYC-)Prozess, verbunden. Für das Onboarding der Investoren bieten die Startups Cashlink, micobo, Finoa, Bloxxon, CPI Technologies, Finexity und Daliado eine Lösung am Markt an

Nach der Identifizierung der Investoren können diese den Token gemäß den Investitionsbedingungen direkt vom Emittenten erwerben. Der hinterlegte Smart Contract teilt – wenn dies für den spezifischen Use Case vorgesehen ist – für die zuvor definierte Zahlungssumme eine entsprechende Anzahl der Token zu. Die Zahlung kann dabei aus der Sicht des Investors – individuell abhängig von den vertraglichen Vereinbarungen zwischen Emittenten und Investoren – entweder in Fiat-Geld oder auch direkt in den Coins einer Kryptowährung erfolgen. Die Zahlung in Fiat-Geldern erfordert vor der Ausgabe der Token den Umtausch in die Coins einer Kryptowährung, da die Smart-Contracts lediglich mit Coins erfüllt werden können. Die Ausgabe der Security Token wird von Finexity durch einen persönlichen Ansprechpartner begleitet. Die eigenständige Ausgabe der Security Token übernehmen auch Cashlink, micobo, Bloxxon und Daliado. Die anschließende Registerführung erfolgt automatisiert über die Infrastruktur der den Security Token zugrunde liegenden Smart Contracts. Die Registerführung wird insofern von sämtlichen Startups angeboten, die auch die Ausgabe übernehmen. Weiterhin jedoch von Bitbond und Finoa, welche als White-Lable-Lösung zwar nicht bei der Ausgabe in Erscheinung treten, jedoch die Registerführung als Dienstleister übernehmen. Die aufsichtsrechtlich relevante Verwahrung der kryptografischen Schlüssel, die für den Zugriff auf Token benötigt werden, die einer öffentlichen Adresse auf der Blockchain zugeordnet sind, ist von der Registerführung nach der Ausgabe zu differenzieren. Die Schlüssel können durch Kryptoverwahrdienstleister wie Tangany, Finoa, Bloxxon oder Finexity verwahrt werden. Finoa selbst rüstet sich für dieses Vorhaben und wurde bereits in zwei Finanzierungsrunden von vier Investoren mit einem Betrag über 20 Mio. Euro unterstützt.[4]

In der Phase nach der Emission ermöglichen die Token eine automatisierte Erfüllung der in den Smart Contracts hinterlegten Wenn-Dann-Logiken. Bei der Erfüllung der festgelegten Ereignisse kann es sich bspw. um die Zahlung von Zinsen oder in anderen Anwendungsfällen auch um die Zahlung per Nutzung handeln. In diesen auch als Pay-per-Use bezeichneten Fällen stellen die Smart Contracts dem Verwender jede Nutzung des tokenisierten Vermögenswertes mit einem festgelegten Betrag in Rechnung. In diesem Rahmen sind als Anbieter sowohl Bitbond, micobo, Finoa, Bloxxon und Finexity zu nennen. Den letzten Aspekt in der Wertschöpfungskette der Tokenisierung bildet der Handel der Token auf einem Sekundärmarkt.[5] Der Handel kann dabei z. B. wie bei Finexity über einen eigenen Marktplatz innerhalb der Community (reiner Peer-to-peer-/OTC-Handelsplatz), aber auch wie bei Cashlink mit einer Market-Making Komponente eines Partnerunternehmens erfolgen. Weitere Handelsplätze für Token bieten zudem Finoa, Bitbond und Daliado an. Das Angebot des deutschen Sekundärmarkts für Immobilien und Kunst wird von 360X ergänzt. Die Commerzbank und die Deutsche Börse investierten bereits in die Plattform.[6]

Für die Tokenisierung können verschiedene Anwendungsfälle definiert werden. Die Startups am Markt haben sich innerhalb der verschiedenen Use Cases spezialisiert. Security Token können zum Beispiel bei der Finanzierung und der Abrechnung einer industriell genutzten Maschine eingesetzt werden. Die Token bilden hierbei eine alternative für die Fremdkapitalfinanzierung. Die Investoren stehen bereits vor der Ausgestaltung der physischen Verträge fest. Nach der Schaffung der Security Token werden diese an die definierten Kapitalgeber ausgegeben und beim festgelegten Kryptoverwahrer verwaltet. Die von den Kapitalgebern finanzierte Maschine wird durch den Pay-per-Use Ansatz gemäß Vereinbarung direkt bei der Verwendung der Maschine abgerechnet. Vorteile bieten insbesondere die kostengünstige Finanzierungsstruktur, der breite Kreis potenzieller Investoren und die verbrauchsgerechte Abrechnung. Die Ausgabe von Security Token als Anleihe einer börsennotierten Gesellschaft beinhaltet die gesamte Wertschöpfungskette des Security Token Offerings. Zusätzlich zur rechtlichen Gestaltung der Verträge ist vorab die aufsichtsrechtliche Genehmigung eines Wertpapierprospekts durch die BaFin einzuholen. Nach dem Angebot der Security Token müssen die interessierten Investoren vor der Ausgabe gemäß den notwendigen KYC-Vorschriften identifiziert werden. Nach der Ausgabe werden die Investoren in das Register eingetragen und die für den Zugriff auf die Token erforderlichen privaten Schlüssel in der Wallet der Investoren verwahrt. Nach der Phase der Emission erfolgt die automatisierte Erfüllung der Zinszahlung über den hinterlegten Smart Contract. Ein Handel mit den Security Token ist über einen Sekundärmarkt möglich. Die Vorteilhaftigkeit liegt hierbei im Wesentlichen in den möglichen Kosteneinsparungen durch die günstige Verwahrung.

Ein weiterer Anwendungsfall von Security Token stellt die Tokenisierung der Finanzierung einer Immobilie dar. Vorweg ist jedoch zu erwähnen, dass hierbei die Tokenisierung der Immobilie selbst nicht möglich ist, da der Eigentümer in Deutschland noch stets im Grundbuch als physisches Register einzutragen ist. Die Tokenisierung bezieht sich insofern auf die Finanzierung der Immobilie. Die am Kapitalmarkt angebotene Immobilienfinanzierung ist – analog der zuvor beschriebenen am Kapitalmarkt emittierten Anleihe – vor der Emission der Token durch physische Verträge zu konkretisieren und durch eine aufsichtsrechtlichen Genehmigungsprozess für Privatanleger zugänglich zu machen. Vor dem Hintergrund der gesetzlichen Vorgaben für den Erwerb von Immobilien wird diese durch eine Gesellschaft erworben und gehalten. Die Finanzierung der Immobilie wird tokenisiert. Nach der Schaffung der Token können diese nach einer Identifizierung der Investoren an diese ausgegeben und verwahrt werden. Vor dem Hintergrund der am Ende der Laufzeit fälligen Zinsen ist in diesem Anwendungsfall kein automatisiertes Ereignis hinterlegt. Der Token kann entweder auf dem Zweitmarkt gehandelt oder am Ende der Laufzeit der Immobilienfinanzierung an den Herausgeber des Token zurückgegeben werden. Die auf diese Weise gestaltete Finanzierung einer Immobilie bietet einem breiten Investorenzugang zu den mit der Immobilie verbundenen Renditemöglichkeiten.

Die in den Anwendungsfällen beschriebene Wertschöpfungskette der Tokenisierung wird durch deutsche Startups bereits heute vollumfänglich abgedeckt. Die zukünftige Regulatorik kann hierbei die Weichen stellen, um diesen jungen Markt in Deutschland aufzubauen und für Investoren weiter interessant zu machen. Die Tokenisierung von Assets beinhaltet das Potenzial der Grundstein vielseitiger Neuerungen am Kapitalmarkt zu sein. Sie stellt ein spannendes Entwicklungsgebiet dar, das unbedingt weiter verfolgt werden sollte.

 

 

 

[1] BaFin Perspektiven – Ausgabe 01/2018 – ICOs und Kryptotoken: Risiken und aufsichtsrechtliche Einordnung, S. 55.

[2] BaFin Merktblatt – Zweites Hinweisschreiben zu Prospekt- und Erlaubnispflichten im Zusammenhang mit der Ausgabe sogenannter Krypto-Token.

[3] ERC steht hierbei für Ethereum Request for Comment, die folgende Zahl für die zugewiesene Nummer.

[4] Crunchbase.

[5] Was ist ein Security Token? | https://www.btc-echo.de/academy/bibliothek/security-token/.

[6] https://www.deutsche-boerse.com/dbg-en/media/press-releases/Deutsche-B-rse-and-Commerzbank-jointly-invest-in-new-digital-marketplaces-of-the-future-2629326.

EY Startup-Barometer Deutschland – Juli 2021

Deutsche Startups erhielten im ersten Halbjahr mehr frisches Kapital als je zuvor: Insgesamt 7,6 Milliarden Euro flossen an deutsche Jungunternehmen – das ist mehr als dreimal so viel wie im Vorjahreszeitraum und mehr als im gesamten Jahr 2020. Auch die Zahl der Finanzierungsrunden stieg sprunghaft: um 62 Prozent auf 588.

Hier kannst Du das EY Startup-Barometer Deutschland herunterladen.