12.10.2021 | News & Interviews

Anlage in Kryptowährungen: Steuerliche Aspekte in Deutschland

von Ivana Jovanic
Senior Consultant | EMEIA Financial Services
Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Der Kryptowährungsmarkt hat sich in den letzten Jahren enorm entwickelt und die allgemeine Erwartung ist, dass die Bedeutung dieser Anlageklasse in Zukunft nur noch zunehmen wird.

Neben den eigentlichen Anlegern und den Tauschbörsen existiert in diesem Bereich mittlerweile ein sehr umfassendes Ökosystem mit vielen verschiedenen Marktteilnehmer und ihren spezifischen Rollen wie z.B. Brokern, Ver- und Entleihern oder OTC-Händlern, was sowohl die große Innovationskraft als auch die zunehmende allgemeine Akzeptanz dieser Anlageklasse belegt. Auch kann beobachtet werden, dass die Grenzen zwischen dem „originären“ Kryptowährungsmarkt und den „traditionellen“ Finanzmärkten zusehends verschwimmen, sowohl was die Anlageinstrumente als auch die Infrastruktur des gesamten Kryptowährungsökosystems angeht. So bieten z.B. traditionelle Broker oder Depotbanken auch Anlagen in bzw. Aufbewahrung von Kryptowährungen an.

Deutschland hinkt dieser globalen Entwicklung etwas hinterher, allerdings nimmt die Entwicklung, sowohl im Hinblick auf die regulatorischen Rahmenbedingungen als auch bei der Handelsinfrastruktur immer stärker die Fahrt auf. So bieten beispielsweise mit Trade Republic und N26 zwei der wertvollsten deutschen Start-ups inzwischen auch Investments in Kryptowährungen an. Ferner hat die Deutsche Börse kürzlich den Kauf der Schweizer Crypto Finance AG, die institutionellen und professionellen Kunden Handel, Aufbewahrung und Investitionen in digitale Vermögenswerte anbietet, bekannt gegeben. Die Regionalbörse Stuttgart betreibt bereits eine Kryptowährungsbörse namens Bison.

Während die regulatorischen Rahmenbedingungen und die geldwäscherechtlichen Vorschriften bereits klare Konturen annehmen (die Regulierung des Kryptowährungsgeschäfts wurde im Rahmen der Umsetzung der 5. Geldwäscherichtlinie eingeführt), besteht im steuerrechtlichen Bereich noch erheblicher Klärungs- und Regelungsbedarf. Dies betrifft insbesondere die folgenden zwei Fragen:

(i) Wie werden Kryptowährungen auf der Ebene einzelner Anleger besteuert?

(ii) Wie kann eine Überprüfung der vollständigen Besteuerung durch die Finanzverwaltung sichergestellt werden („Steuertransparenz“)?

Zur Frage der Anlagerbesteuerung ist anzumerken, dass das Bundesfinanzministerium erfreulicherweise kürzlich den ersten Entwurf eines Leitfadens zur Besteuerung digitaler Währungen und Token veröffentlicht hat, der die Ansicht der Finanzverwaltung bezüglich der direkten Investments in Kryptowährungen darlegt. Dies soll die Unsicherheiten im Rahmen der direkten Investments reduzieren, auch wenn einige Ansichten der Finanzverwaltung umstritten sind.

Allerdings können die Investments nicht nur direkt, sondern auch indirekt über verschiedene Formen der „traditionellen“ Finanzinstrumente wie Tracking-Notes, Knock-Out Zertifikate oder ETFs erfolgen. Da die Steuerfolge, je nach Investmentform sehr unterschiedlich sein können, sollten diese aufgrund ihres erheblichen Einflusses auf die Netto-Rendite in die Investitionsentscheidung unbedingt immer miteinbezogen werden.

Die nachfolgende Tabelle fasst zur Veranschaulichung der Komplexität der Besteuerung die derzeit soweit ersichtlich wohl im Markt vorherrschende Meinung über die Besteuerung von Krypto-Investments aus der Sicht der deutschen Privatanleger zusammen. Die steuerlichen Folgen für die gewerblichen bzw. institutionelle Anleger, sowie die Besteuerung von Mining, Staking oder Lending von Kryptowährungen werden der Übersichtlichkeit halber außen vorgelassen.

 

  Haltedauer bis zu 1 Jahr [1] Haltedauer mehr als 1 Jahr
Direkte Investition in Krypto­währung Veräußerungs­gewinne sollten dem persönlichen progressiven Einkommen­steuersatz unterliegen Nicht steuer­pflichtig
Anlage durch Derivate [2] Gewinne sollten der pauschalen Abgeltung­steuer unterliegen Gewinne sollten der pauschalen Abgeltung­steuer unterliegen
Anlage durch Tracker Notes, die “Xetra-Gold” Kriterien erfüllen [2] Veräußerungs­gewinne sollten dem persönlichen progressiven Einkommen­steuersatz unterliegen Nicht steuer­pflichtig
Anlagen durch Tracker-Notes, die “Xetra-Gold” Kriterien nicht erfüllen [3] Veräußerungs­gewinne sollten der pauschalen Abgeltungs­teuer unterliegen Ver­äußerungs­gewinne sollten der pauschalen Abgeltung­steuer unterliegen
Investitionen durch Fonds [4] Veräußerungs­gewinne sollten der pauschalen Abgeltung­steuer unterliegen Veräußerungs­gewinne sollten der pauschalen Abgeltung­steuer unterliegen

[1] Die Haltefrist verlängert sich nach Ansicht der Finanzverwaltung auf 10 Jahre, wenn die Kryptowährungen zur Einkünfteerzielung (Mining, Staking, Leihe) eingesetzt werden.
[2] Derivate wie Futures, Forwards, Swaps, Optionen oder Knock-Out-Zertifikate
[3] Kriterien des Bundesfinanzhofs in seinen Xetra-Gold- und Gold Bullion-Entscheidungen. Xetra-Gold: BFH, Urteile vom 12.5.2015 – VIII R 35/14, VIII R 19/14 und VIII R 4/15; Urteil vom 6.2.2018 – IX R 33/17; Gold Bullion Securities: BFH, Urteil vom 16.6.2020 – VIII R 7/17.
[4] Thesaurierende Fonds, die als Investmentfonds im Sinne des deutschen Investmentsteuergesetzes gelten.

 

Wie man bereits an der obigen Tabelle erkennen kann, ist die Anlegerbesteuerung eine recht komplexe Angelegenheit. Angesichts der wachsenden Bedeutung der Krypto-Branche und dem damit einhergehenden verstärkten Fokus der Finanzverwaltung ist zu erwarten, dass auch der Beratungsbedarf sowohl im Hinblick auf die Investmentstruktur als auch die Steuer-Compliance in der nächsten Zeit erheblich zunehmen wird. Insbesondere die Lösungen, die die Steuerpflichtigen bei der Erfüllung ihrer steuerlichen Pflichten unterstützen, werden sicherlich verstärkt nachgefragt werden.

Die rasant wachsende Bedeutung dieses Marktes führt auch zur zweiten oben genannten Frage der Steuertransparenz.

Die Bedenken hinsichtlich eines möglichen Einsatzes von Kryptowährungen für Geldwäsche und Steuervermeidung werden immer wieder geäußert, doch die rasante Verbreitung dieser Anlageklasse und die beeindruckende Entwicklung der Infrastruktur für Transfer und Handel haben die Gesetzgeber weltweit erheblich unter Druck gesetzt, dafür Sorge zu tragen, einen umfassenden Rechtsrahmen für die Berichterstattung über erzielte Einnahmen und den Wert der Vermögenswerte, die in den Kryptowallets aufbewahrt werden, zu schaffen.

Diese Problematik der Steuertransparenz ist insbesondere im grenzüberschreitenden Kontext virulent. Aus diesem Grund besteht für die „traditionellen“ Finanzanlagen bereits seit vielen Jahren ein umfassendes Meldesystem auf der Grundlage bilateraler und multilateraler Abkommen bzw. EU-Richtlinie, das auch unter den Bezeichnungen FATCA und OECD Common Report Standard („CRS“) bekannt ist. Die FATCA Regelungen verlangen von „traditionellen“ Finanzinstituten, ihre Kontoinhaber zu identifizieren und die jeweiligen Kontoerträge und -werte der US-Kontoinhaber an die US-Steuerbehörden zu melden. CRS schafft ein ähnliches Meldesystem zwischen den Finanzbehörden der teilnehmenden Staaten in Bezug auf die Einkünfte und Vermögenswerte von Kontoinhabern, die in diesen Staaten ansässig sind.

Es ist jedoch fraglich, ob Kryptowährungen von den existierenden FATCA und CRS Regeln erfasst sind. Was Deutschland betrifft besteht derzeit ein breiter Konsensus, dass die deutschen Regeln zu FATCA / CRS aufgrund der Einstufung der Kryptowährung als „sonstige Vermögenswerte“ im Gegensatz zu den Finanzinstrumenten keine Meldung von Einkünften aus Kryptowährungen, sowie von den Kryptowährungsbeständen vorschreiben. Dies gilt jedoch nur für direkte Investments. Traditionelle Finanzinstrumente mit Kryptowährungen als Underlyings wie z.B. Derivate oder Tracker Notes sollten sehr wohl nach den aktuellen Regelungen meldepflichtig sein.

Diese Lücke bzw. Unsicherheiten im Hinblick auf die Meldung von Kryptowährungen sollte jedoch offenbar global einheitlich auf der Basis eines den FATCA und CRS Regeln nachgebildeten Meldesystems, dem sich auch Deutschland aller Voraussicht nach anschließen wird, geschlossen werden. Hierzu heißt es im OECD-Bericht zur Besteuerung virtueller Währungen vom 12. Oktober 2020, dass die OECD derzeit technische Vorschläge entwickelt, um ein angemessenes und effektives Niveau der Berichterstattung und des Informationsaustauschs in Bezug auf Krypto-Assets sicherzustellen.

Angesichts der im Umfeld von FATCA / CRS entstandenen Steuerberatungsleistungen einschließlich einiger sehr anspruchsvoller Managed-Services-Angebote ist zu erwarten, dass ein ähnliches Angebot auch im Hinblick auf Kryptowährungen von den betroffenen Marktteilnehmern nachgefragt wird, sobald der steuerrechtliche Rahmen klarer wird.

Ansprechpartner

von Ivana Jovanic
Senior Consultant | EMEIA Financial Services
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